Körperliche Kompetenz und demokratische Staatsbürgerschaft

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Wir sind der Ansicht, dass körperliche Aktivität für den Körper das ist, was Lesen für den Geist.

Daraus folgt, dass der Einzelne ein Grundrecht darauf hat, nicht nur lesen und schreiben zu können, sondern auch körperlich gebildet zu sein. Körperliche Kompetenz ist ein Begriff, der sich einerseits auf körperliche Kompetenz, Motivation, Selbstvertrauen und Wissen bezieht und andererseits auf die Wertschätzung und die Übernahme von Verantwortung für die eigenen zielgerichteten körperlichen Aktivitäten während der gesamten Lebensspanne. Mit anderen Worten: Körperliche Kompetenz führt zu einem umfassenderen Verständnis und einer größeren Wertschätzung für körperliche Aktivität und zu einem persönlichen Engagement für einen kontinuierlichen, integralen Bestandteil des eigenen Lebens.

Die Implikationen der Vermittlung von körperlicher Kompetenz bei Kindern und Jugendlichen führen zum Kern von EDC/HRE. Wie bereits erwähnt, betont die Bewegungskompetenz die individuelle Verantwortung für die eigene Gesundheit und das eigene Wohlbefinden. Das Schlüsselkonzept der Verantwortung macht uns die Konsequenzen unserer Entscheidungen und Wahlmöglichkeiten bewusst, ob wir sie nun erkennen oder nicht. Körperliche Kompetenz bedeutet, dass wir über unsere Gewohnheiten nachdenken und sie bei Bedarf in Frage stellen. In einer demokratischen Gesellschaft sollten die Bürgerinnen und Bürger eine Haltung der moralischen Verantwortung einnehmen, die „die Annahme einer reflektierten und durchdachten Herangehensweise an die eigenen Handlungen und die möglichen Folgen dieser Handlungen“ beinhaltet (Kompetenzen für eine demokratische Kultur, S. 42 f.,Daher ist der Erwerb von physischer Kompetenz gleichbedeutend mit dem Erlernen einer demokratischen Staatsbürgerschaft auf höchst praktische und persönlich bedeutsame Weise.

Lernen durch Erfahrung erfordert jedoch Reflexion, wenn junge Menschen verstehen sollen, was sie im Hinblick auf körperliche Kompetenz oder demokratische Staatsbürgerschaft tun. Zu Erkenntnissen durch persönliche Erfahrung zu gelangen, geschieht nicht automatisch, sondern eher durch Lernen durch Nachdenken über das, was wir tun. Wie beim aufgabenbasierten Lernen (siehe Erziehung zur Demokratie, S. 123), setzen sich die Schülerinnen und Schüler mit Herausforderungen oder Problemen auseinander, und um Schlussfolgerungen aus ihren Bemühungen ziehen zu können, brauchen sie die Möglichkeit, ihre Erfahrungen auszutauschen und unter Anleitung einer Lehrkraft darüber nachzudenken. Darüber hinaus sollte eine Lehrperson den Schülerinnen und Schülern bewusst machen, dass sie selbst für ihr Wohlergehen verantwortlich sind und dass persönliche Verantwortung der Schlüssel zu einer demokratischen Staatsbürgerschaft ist. Wenn Sie körperliche Aktivitäten an Ihrer Schule koordinieren, sollten Sie Ihr Personal darauf aufmerksam machen, dass körperliche Aktivitäten auch das Nachdenken über das, was man tut, beinhalten.

 

Körperliche Kompetenz ist weder gleichbedeutend mit dem Fach Sportunterricht noch auf dieses beschränkt. Sie ist vielmehr eines dieser Ziele, da der Sportunterricht weltweit darauf abzielt, zu lebenslanger körperlicher Betätigung im Dienste der Gesundheit zu motivieren. Darüber hinaus kann sie auf unterschiedliche Weise erworben werden, z. B. durch Ermutigung, Unterstützung durch Eltern, Freunde, Lehrer:innen und Fachleute oder durch den eigenen Willen und die eigene Entscheidung. Körperliche Kompetenz ist kein Schulfach. In Schulen planen, leiten und unterstützen Schulleiter:innen und Lehrpersonen die Beteiligung der Lernenden an körperlichen Aktivitäten, die zielgerichtet, lohnend und sinnvoll sind. Doch wie bei der Lese- und Schreibkompetenz, die „nicht nur die Fähigkeit zum Lesen und Schreiben umfasst, sondern darüber hinaus auch die kritische und wirksame Anwendung dieser Fähigkeiten im Leben der Menschen“, umfasst die physische Kompetenz auch andere Aspekte, wie z. B.:

  • sensible Wahrnehmung beim „Lesen“ aller Aspekte der physischen Umgebung, Vorwegnahme von Bewegungsbedürfnissen oder -möglichkeiten und angemessene Reaktion darauf mit Intelligenz und Vorstellungskraft
  • ein gut ausgeprägtes Selbstbewusstsein, das sich in der Welt verkörpert. Zusammen mit einer artikulierten Interaktion mit der Umwelt führt dies zu einem positiven Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen.
  • Sensibilität und Bewusstsein für die körperlichen Fähigkeiten, die zu einem fließenden Selbstausdruck durch nonverbale Kommunikation und zu einer wahrnehmungsfähigen und einfühlsamen Interaktion mit anderen führen.
  • die Fähigkeit, die wesentlichen Qualitäten, die die Effektivität der Bewegungsleistung beeinflussen, zu erkennen und zu artikulieren, und ein Verständnis der Prinzipien der körperlichen Gesundheit in Bezug auf grundlegende Aspekte wie Bewegung, Schlaf und Ernährung“.

Margaret Whitehead, ICSSPE Bulletin Nummer 65 I Oktober 2013, S. 29 f.

https://www.icsspe.org/sites/default/files/bulletin65_0.pdf