Werteerziehung fördert die Selbstdisziplin der Schüler:innen

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Sie gehen einen Flur in einer Schule entlang. Der Lärm aus einem Klassenzimmer verrät Ihnen, dass eine Unterrichtsstunde aus dem Ruder gelaufen ist und die Lehrperson mit der Situation überfordert ist. Während oder kurz nach der Unterrichtsstunde klopft sie an Ihre Tür und bittet Sie, einzugreifen. Die Schüler:innen, welche die Lehrperson als Störenfriede identifiziert hat, werden auf unschuldig plädieren und Sie in die unangenehme Lage eines „Hohen Richters“ bringen. Bei solchen Vorfällen verliert die Lehrkraft den Respekt der Schüler:innen.

Dieses Szenario verdeutlicht die Schwäche des autoritären Führungsstils in der Schule: Die Schüler:innen müssen gezwungen werden, sich an die aufgestellten Regeln zu halten, und wenn sie das nicht tun, wird erwartet, dass die Lehrkraft sie durchsetzt. Dies führt zu einem Unbehagen bei den Lehrpersonen, die sich einer großen Anzahl möglicher Störenfriede und Feinde in der Klasse gegenübersehen. Ständige Kontrolle, Lob und Strafe sind die Mittel, die den Lehrer:innen zur Verfügung stehen, um für Ordnung und Disziplin zu sorgen.

Die Disziplin der Schüler:innen ist in der Tat eine wesentliche Voraussetzung für das gute Funktionieren einer Schule. Außerdem ist die Schule die erste Institution, mit welcher Kinder und Jugendliche in ihrem Leben zu tun haben, und hier müssen die sie lernen, die Gesetze zu befolgen. Nicht weil sie dazu gezwungen werden, sondern weil sie die Notwendigkeit der Rechtsstaatlichkeit verstehen und schätzen sollten. Ein System der ständigen Überwachung und Sanktionierung ist jedoch weder machbar noch wünschenswert, denn eine solche Schule lehrt die Schüler:innen eine Gehorsamshaltung, die sie unfähig macht, Verantwortung für die Schulgemeinschaft zu übernehmen.

Werte sind unsichtbar, aber sie zeigen sich im Verhalten eines Menschen. Disziplin kann zum großen Teil nicht erzwungen werden, sondern muss von innen heraus wachsen. Werte können nicht gepredigt werden, sondern werden durch gute Beispiele gelernt. Als Vorbilder ist die Haltung von Ihnen und Ihrem Kollegium entscheidend für die Entwicklung einer demokratischen, werteorientierten Schulgemeinschaft.

Fragt man Kinder oder Jugendliche, was sie von der Schule erwarten, so zeigen ihre Antworten, dass sie oft mehr erhoffen, als die Schule leisten kann. Sie wollen ihre Zeit gut verbringen und wünschen sich, dass ihre Schule gut funktioniert, auch wenn ihr Verhalten manchmal störend sein mag. Daher ist es möglich, die Schüler:innen davon zu überzeugen, dass keine Gemeinschaft ohne Regeln funktionieren kann, und dass dies auch für demokratische Gemeinschaften gilt. Siehe „Überdenken von Disziplin und Ordnung aus demokratischer Sicht“ http://living-democracy.com/de/textbooks/volume-1/part-2/unit-1/chapter-2/lesson-5/ .

Wenn die Schüler:innen die Werte, für die die Schulregeln stehen, teilen, werden sie bereit sein, diese zu akzeptieren und zu schätzen. In den vom Europarat veröffentlichten „Kompetenzen für eine demokratische Kultur“ gehören zu diesen Werten „die Unterstützung der Rechtsstaatlichkeit und die gleiche und unparteiische Behandlung aller Bürger vor dem Gesetz als Mittel zur Gewährleistung der Gerechtigkeit“. (Kompetenzen für eine demokratische Kultur, S. 38, Nr 7).

Wertebasierte Regeln müssen in der Klasse diskutiert und vermittelt werden, und hier spielt die EBU/HRE eine wichtige Rolle. Growing up in democracy, Band II in der Reihe der EDC/HRE-Handbücher für Lehrpersonen beschreibt ein kleines Projekt, in dem die Schüler:innen die bestehenden Schulregeln bewerten, die zugrunde liegenden Werte und Prinzipien identifizieren und Vorschläge zur Überarbeitung und Verbesserung der Regeln diskutieren. Das Titelbild dieses Bandes, auf dem die Schüler:innen die von ihnen mehrheitlich angenommenen Schulregeln unterschreiben, unterstreicht das Lernpotenzial dieses Projekts, da es den Schüler:innen ermöglicht, an der Entscheidungsfindung in der Schule teilzunehmen. Das Thema ist bedeutungsvoll und ein echter Bestandteil des Schullebens. Die Erziehung zur demokratischen Staatsbürgerschaft und zu den Werten der demokratischen Kultur ist bei allen Altersgruppen möglich. Das Projekt „Aufwachsen in der Demokratie“ richtet sich an Lehrpersonen der Primarstufe und kann daher auch für ältere Schüler:innen angepasst werden. http://living-democracy.com/de/textbooks/volume-2/unit-5/

Die Schüler:innen sind sich durchaus bewusst, dass ihr Verhalten überwacht werden muss und dass Regeln durchgesetzt werden, wenn sie gebrochen werden. Dies liegt in der Verantwortung der Schulleitung und des Lehrkörpers, in Übereinstimmung mit den Schulgesetzen. Diejenigen Schüler:innen, die eine Haltung des Bürgersinns entwickelt haben, „ein Gefühl der Verantwortlichkeit gegenüber anderen Menschen in der Gemeinschaft und die Akzeptanz, dass man vor anderen für seine Entscheidungen und Handlungen verantwortlich ist“ (Kompetenzen für eine demokratische Kultur, S. 41), werden weniger disziplinarische Probleme verursachen, da sie Selbstdisziplin entwickelt haben und die Verantwortung für ihr Verhalten übernehmen können.