Handout 7.1: Benachteiligt die Mehrheitsregel die Minderheit? Eine Fallgeschichte

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In einem Sportverein gibt es eine Gruppe begeisterter Fußballspieler/innen und eine kleinere Gruppe nicht weniger motivierter Schachspieler/innen. Beide Gruppen nehmen an Turnieren und Wettkämpfen teil, und beiden Gruppen gelingt es auch, neue Mitglieder zu werben.

Die Satzung des Vereins legt einen einheitlichen Jahres-Mitgliedsbeitrag fest. Jeden Herbst findet eine Mitgliederversammlung statt, in der die Mitglieder per Mehrheitsbeschluss entscheiden, wie die Vereinsgelder ausgegeben werden sollen. Die Wunschliste der Fußballspieler ist lang: der Vorrat an neuen Bällen muss ständig aufgefüllt werden, neue Trikots für die Spiele in der Oberliga müssen beschafft werden und das Fußballfeld will gepflegt werden. Die Schachspieler müssen ihre Ausrüstung erweitern, um mit der wachsenden Zahl ihrer Mitglieder Schritt halten zu können; sie brauchen neue Spiele und Schachuhren, Tische und Stühle, und demnächst sogar einen größeren Raum.

Beide Gruppen tragen ihre Wünsche vor. Anschließend stimmen die Mitglieder per Mehrheitsbeschluss ab. Die Fußballspieler stellen die Mehrheit, die Schachspieler werden überstimmt. Alle Vereinsgelder kommen den Fußballspielern zugute, denn die Mehrheit will es so und in einer Demokratie ist der Mehrheitswille zu respektieren.

Einige Jahre geht das schon so, doch jetzt verlieren die Schachspieler/innen die Geduld. Auch ihre Beiträge kommen den Fußballern zugute. Sie kommen sich vor, als seien sie zu Mitgliedern zweiter Klasse herabgestuft und einige Schachspieler/innen denken laut darüber nach, den Verein geschlossen zu verlassen und einen neuen unabhängigen Verein zu gründen.

Die meisten Fußballspieler/innen reagieren mit Kopfschütteln. Die Mehrheit entscheidet: das ist Demokratie. Und wenn man überstimmt wird, muss man sich halt der Mehrheit fügen. Doch einigen Fußballspieler/innen erscheint diese Sicht ein wenig simpel. Fair play, gerade unter Sportlern, müsste doch bedeuten, dass auch die Interessen der Schachspieler/innen berücksichtigt werden. Aber wie?

Die Fallgeschichte wurde in veränderter Form übernommen aus: David Miller, Political philosophy. A very short introduction. Oxford 2003, S. 44ff.

 

Die Mitgliederstruktur im Sportverein. Zwei Gruppen mit unterschiedlichen Merkmalen konkurrieren um die Durchsetzung ihrer Interessen.