Rollendistanzierung und Analyse mit Hilfe des Nachhaltigkeitsmodells

Die folgende Übersicht unterstützt die Lehrperson bei der Planung und Durchführung der Sequenz.
Kompetenztraining benennt die Kompetenzen, welche die Lernenden in dieser Sequenz trainieren (Analyse-, Urteils-, Handlungs- und Methodenkompetenzen).
Das Erkenntnisziel beschreibt die inhaltlich-kognitive Dimension des Lernertrags.
Aufgaben und Methoden dienen der Gestaltung des Lernprozesses.
Medien und Hilfsmittel bieten eine Checkliste für die technisch-organisatorische Vorbereitung.
Die Richtwerte zum Zeitbudget unterstützen das Zeitmanagement.
Kompetenztraining Analytisches Denken: Persönliche Erfahrung mit einem abstrakten Begriff oder einem Modell verknüpfen.
Erkenntnisziel Modell der Nachhhaltigkeitsziele (Zielharmonien und -konflikte erkennen).
Aufgabe Die Lernenden reflektieren ihre Erfahrungen im Fischerspiel.
Ressourcen / Material

Handout 4.1 – 4.3, Material für Lehrpersonen 4.1 – 4.5 (je nach Bedarf).

A4-Bögen, Stifte, Magnethafter oder Klebestreifen.

Methode Klassengespräch, Plenumsdiskussion, Einzelarbeit.
Zeitbudget 1. Rollendistanzierung. (15 Min)
2. Die Lernenden analysieren ihr Verhalten im Planspiel mit Hilfe des Nachhaltigkeitsmodells. (15 Min)

Information für Lehrpersonen

Die Lernenden haben sich im Planspiel mit einem komplexen Problem auseinandergesetzt und – mehr oder weniger erfolgreich – nach Lösungen gesucht. Der Konflikt und die Auseinandersetzungen, insbesondere wenn es am Ende Gewinner und Verlierer gibt, können auch starke Gefühle hervorrufen, mit denen sich die Lerngruppe auseinandersetzen muss, ehe sie sich der Sache widmet (vgl. hierzu das Material für Lehrpersonen 4.5: „Störungen haben Vorrang.“)

Die bedeutenden Lernchancen eines Planspiels lassen sich nur durch eine sorgfältige Reflexion realisieren. Indem die Lernenden über ihre Erfahrungen nachdenken und sich darüber austauschen, verstehen sie das Problem und ihre Lösungsversuche besser. Anschließend können sie die im Planspiel gewonnenen Erkenntnisse auf die Realität übertragen.

Die Reflexion folgt dem Prinzip des exemplarischen Lernens. Die persönlichen und gemeinsamen Spielerfahrungen sind das Material, mit dem gearbeitet wird, und insofern agieren alle als Experten. Die Reflexion ist ein Training abstrahierenden Denkens.

Wie beim Fischerspiel ist es vorteilhaft, die dritte und vierte Sequenz dieser Einheit, welche der Reflexion und Auswertung gewidmet sind, zu einer Doppelstunde zusammenzufassen – möglichst zeitnah zum vorher gehenden Fischerspiel. Doch auch zwei Einzelstunden, die mit einer Hausaufgabe verklammert werden, sind möglich.

Verlauf der Sequenz

Vorbemerkung

In der Reflexionsphase befassen sich die Lernenden mit ihren Erfahrungen im Fischerspiel. Da keine zwei Planspiele gleich verlaufen und sich auch die Verhandlungen in ihrem Verlauf und Ergebnis unterscheiden, lässt sich die Abfolge der Reflexions- und Denkschritte nur modellhaft beschreiben. Die Lehrperson sollte die Planung dementsprechend je nach Spielverlauf anpassen.

1. Rollendistanzierung

Die Lehrperson wählt aus dem Fragenkatalog (Material für Lehrpersonen 4.4, Phase 1) eine Impulsfrage aus, die dem Spielverlauf und der Stimmung der Lernenden angemessen ist, z.B. „Wie fühltet ihr euch in euren Rollen?“

Es ist in einer modellhaften Verlaufsbeschreibung kaum möglich, ein Verfahren zur Thematisierung der Gefühle und Empfindungen im Fischerspiel anzugeben. Wenn beispielsweise einige Schülerinnen und Schüler starke Gefühle der Enttäuschung oder Verbitterung empfinden, müssen sie ausreichend Zeit erhalten, sich zu artikulieren und eine Aussprache zu führen, falls sie dies wünschen. Es handelt sich um eine „Störung“, die vorrangig geklärt werden muss, ehe sich die Lerngruppe der Sachebene zuwenden kann. Zum Verfahren im Umgang mit Störungen dieser Art vgl. das Material für Lehrpersonen 4.6 „Störungen haben Vorrang“.

Es ist jedoch auch möglich, dass insbesondere ältere Schülerinnen und Schüler nicht viel zu ihren Gefühlen sagen wollen. Die Lehrperson kann dies testen, indem sie Mitglieder zweier Gruppen direkt anspricht, die sich im Spiel unterschiedlich verhalten oder wirtschaftlich als Verlierer bzw. Gewinner abgeschnitten haben. Von den Reaktionen dieser Schüler/innen bzw. der übrigen Klasse macht sie dann abhängig, ob diese Frage weiter vertieft werden soll oder nicht.

Vom zweiten, erfahrungsgemäß recht häufigen Verlaufsmuster geht die nachfolgende Beschreibung aus. Die weiteren Schritte der Auswertung konzentrieren sich hier auf die inhaltlichen Aspekte des Fischerspiels.

2. Die Lernenden analysieren ihr Verhalten im Planspiel mithilfe des Nachhaltigkeitsmodells

2.1 Gruppen-Arbeitsauftrag

Die Lernenden bilden neue, gemischte Gruppen, in denen möglichst je Vertreter/innen aller vorherigen Spielgruppen bzw. Fischerdörfer vertreten sind. Die neue Gruppenbildung erleichtert eine distanziertere Sicht, welche die Perspektiven der verschiedenen Gruppen zusammenbringt.

Die Gruppen erhalten Stifte und ca. fünf A4-Blätter. Die Lehrperson erklärt die Funktion dieses Arbeitsschritts: Es geht darum, die Vorgänge im Planspiel besser zu verstehen. Anschließend soll die Klasse von diesen Ergebnissen abstrahieren, um zu generalisierbaren Erkenntnissen zu gelangen.

In einem ersten Schritt sollen die Lernenden ihr Verhalten analysieren. Zum Arbeitsauftrag (5 Minuten) gibt die Lehrperson zwei Leitfragen vor:

  • Worin besteht eigentlich das Grundproblem, mit dem ihr euch im Fischerspiel auseinandergesetzt habt?
  • Was haben die Gruppen oder einzelne Spieler/innen dazu beigetragen, um dieses Problem zu lösen – oder auch, um eine Lösung zu behindern?

Die Gruppen diskutieren diese Fragen und notieren zu jeder ihrer Aussagen ein oder zwei Stichworte formatfüllend auf ein A4-Blatt.

2.2. Plenumspräsentation und Integration in das Drei-Dimensionen-Modell des Politischen

Die Gruppensprecher/innen präsentieren die Ergebnisse ihrer Gruppen. Sie heften die Blätter an die Tafel oder eine Pinnwand und erläutern die damit verbundenen Aussagen. Die Lehrperson fordert die Lernenden auf, die Aussagen zu ordnen und zu verknüpfen, sobald die ersten Bezüge erkennbar sind. Sie führt sinngemäß – ggf. auch mit den Fachbegriffen policy, politics und policy22 – die drei Dimensionen des Politischen als Ordnungskonzepte ein. Das Resultat könnte in etwa wie folgt aussehen:

Problem (bzw. policy) Verhandlungen und Entscheidungen (bzw. politics) Regeln und Institutionen (bzw. polity)

Es gab einen Interessenkon-flikt zwischen Gewinnern und Verlierern – den reichen und den armen Fischern.

Die Zerstörung der Fischpopulation war nicht aufzuhalten.

Alle Fischer verarmten durch den massiven Rückgang der Fangerträge.

Wer weniger Fische fing, um die Bestände zu schonen, war „der Dumme“.

Wir hatten nicht genug Information: Was vertragen die Fischbestände? Wie verhalten sich die anderen? Wir mussten
raten.

Nachhaltiges Fischen lohnte sich nicht – weniger fischen bedeutete Armut und mehr
Ertrag für die anderen Fischer.

Die Verhandlungen waren sehr schwierig, weil einige Gruppen nicht kooperieren wollten.

Es gab keine Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen; jeder dachte nur an sich.

Wir konnten uns nicht darauf verlassen, dass die anderen Gruppen sich an die
Vereinbarungen halten.

Niemand ließ sich in die Karten schauen. Wir wussten nicht, was die anderen vorhatten.

Es gab keine Regeln für vernünftiges Fischen.

Es gab niemanden, der Sanktionen verhängen konnte.

2.3. Abstraktion mit Hilfe des Nachhaltigkeitsmodells

Die Lehrperson erklärt, dass eine vertiefende Analyse leichter fällt, wenn sie sich auf einzelne Aspekte konzentriert. Das soll zunächst einmal die Problem- bzw. policy-Dimension sein. Die Lehrperson bittet ein oder zwei Schülerinnen und Schüler, die Einträge zu polity und politics mitsamt ihren Überschriften umzuhängen, damit Platz an der Tafel frei wird.

Die Lehrperson verteilt Handout 4.2 („ein Modell der Nachhaltigkeitsziele“) und führt dieses Modell in einem Kurzvortrag ein. Vermutlich kennen die Lernenden einen derartigen Modellentwurf bereits als „magisches Zieldreieck“. Die Lehrperson passt ihren Vortrag entsprechend an und geht z.B. ausführlicher auf die Zeit- und Raumdimension ein. Sie überträgt das Modell auf die Mitte der Tafel. Die „policy“-bezogenen Blätter hängen daneben.

Nun verknüpfen die Lernenden das Modell mit ihren Beiträgen. Die Lehrperson schreibt die Leitfrage an die Tafel: Inwieweit haben wir die Ziele der Nachhaltigkeit erfüllt bzw. verpasst? Anschließend beauftragt sie ein oder zwei Schüler/innen, die Moderatorenrolle zu übernehmen. Die Moderator/innen greifen einen Beitrag nach dem anderen auf. Aus der Klasse kommen Vorschläge, wie die einzelnen Aussagen einzuordnen sind. Manche Aussagen sind nicht einem Ziel zuzuordnen, sondern eher einer Achse, d.h. der Beziehung zwischen zwei Zielen. Beispiel: Wer weniger Fische fing, um die Bestände zu schonen, war „der Dumme“ (Achse Verteilung/Umwelt).

Abschließend durchdenken die Lernenden im Plenum oder in Gruppen ihre Spielerfahrungen erneut und ergänzen das Modell mit ihren Beiträgen. Das Tafelbild enthält nun eine Analyse der Spielerfahrungen und gibt Auskunft, inwieweit die Spielerinnen und Spieler im Fischerspiel die Ziele der Nachhaltigkeit erfüllt oder verletzt haben.

Falls die dritte und vierte Sequenz nicht in einer Doppelstunde stattfinden, stellt die Lehrperson eine Hausaufgabe anhand von Handout 4.2: Erläutere, welche Ziele des Nachhaltigkeitsmodells im Fi-scherspiel erreicht und welche verfehlt wurden. Der Operator „erläutern“ verlangt eine anschauliche Erklärung mit Beispielen. Die Schülerergebnisse zu dieser Hausaufgabe können zu Beginn der 4. Sequenz die Brücke zur Sequenz 3 bilden.

22. Vgl. Material für Lehrpersonen 4.6. Eine Einführung zu den drei Dimensionen des Politischen bieten Ackermann u.a. (2013: 27 ff.).