Sequenz 4: Wie fangen wir „so viel Fisch wie möglich“? – Wie lassen sich Konflikte lösen?

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Schlussfolgerungen aus dem Fischerspiel
Rollendistanzierung und Analyse mit Hilfe des Nachhaltigkeitsmodells

Die folgende Übersicht unterstützt die Lehrperson bei der Planung und Durchführung der Sequenz.
Kompetenztraining benennt die Kompetenzen, welche die Lernenden in dieser Sequenz trainieren (Analyse-, Urteils-, Handlungs- und Methodenkompetenzen).
Das Erkenntnisziel beschreibt die inhaltlich-kognitive Dimension des Lernertrags.
Aufgaben und Methoden dienen der Gestaltung des Lernprozesses.
Medien und Hilfsmittel bieten eine Checkliste für die technisch-organisatorische Vorbereitung.
Die Richtwerte zum Zeitbudget unterstützen das Zeitmanagement.
Kompetenztraining

Analyse- und Urteilskompetenz: Reflexion von Erfahrung, Begriffsbildung.

Von persönlicher Erfahrung abstrahieren.

Erkenntnisziele Anreize können unser Verhalten in hohem Maße beeinflussen. Die Wirkung von Anreizen kann durch Regeln oder persönliche Verantwortung kontrolliert werden.
Aufgabe Die Lernenden

  • interpretieren ihre Erfahrung mit Hilfe von Begriffen (Konzepten);
  • ziehen Schlüsse zur Lösung von Verteilungskonflikten;
  • beurteilen die kontroversen Positionen Hardins und Ostroms zur “Tragik der Allmende”.
Ressourcen / Material Handout 4.4, ergänzend 4.2 und 4.3; Material für Lehrpersonen 4.1.
Methode

Präsentationen

Plenumsdiskussion

Impulse und Beiträge der Lehrperson

Zeitbudget 1. Die Lernenden untersuchen die Konfliktursachen im Fischerspiel. (10 Min)
2. Sie beurteilen die These von der “Tragik der Allmende” (20 Min)
3. Verallgemeinerung: Lösung von Verteilungskonflikten als “Win-win”-Situation. (10 Min)
4. Feedback / Planungsgespräch. (5 Min)

 

Information

Der Fokus der dritten und vierten Sequenz liegt auf der policy-Dimension, konkretisiert durch die Nachhaltigkeitsziele und die These von der „Tragik der Allmende“. Zu dieser bietet Handout 4.4 eine Zusammenfassung der Streitpunkte zwischen den Positionen von Hardin und Ostrom (Kontroversitätsgebot).

Zur Wahrung des Copyrights wurde auf die Dokumentation der Originaltexte verzichtet. Wer mit diesen arbeiten will, findet die deutsche Übersetzung von Hardins „Schafweide“-Geschichte bei Ziefle (2000:425)23. Zur Kritik an Hardin siehe Ostrom (2011:13, 53f., 57).

Verlauf der Sequenz

1. Die Lernenden untersuchen die Konfliktursachen im Fischerspiel

Die Lehrperson knüpft an das Ergebnis der Analyse der Lernenden an, inwieweit sie die Ziele des Nachhaltigkeitsmodells erfüllt oder aber (wohl eher) verfehlt haben. Falls die dritte und vierte Sequenz aufeinander folgen, wird mit dem Tafelbild gearbeitet, andernfalls mit den Hausaufgaben-Ergebnissen der Lernenden. Die Lehrperson entwickelt die Problemfrage wie folgt:

„Ihr erinnert euch sicher: die Anweisung, die ich euch zu Beginn des Spiels gab, lautete: „Fangt so viel Fisch, wie ihr könnt.“ Das Nachhaltigkeitsmodell hat gezeigt, dass ihr diesem Ziel am besten dient, wenn ihr bei euren Fangquoten die Reproduktion der Fischbestände berücksichtigt und nach der optimalen Balance sucht. Das aber ist nicht geschehen – weshalb nicht?“

Die Lehrperson kann die Problemfrage verdeutlichen, indem sie die optimale Fangquote mit den Daten aus dem Material für Lehrpersonen 4.1 konkretisiert (falls die analoge Spielversion verwendet wurde).

Die Beiträge der Lernenden dürften zeigen, dass die Gruppen eine andere Lesart der Anweisung befolgten, nämlich die der individuellen Nutzenmaximierung ohne Rücksicht auf die Gemeinschaft und die natürlichen Ressourcen.

Die Lehrperson spitzt das Problem, falls notwendig, weiter zu: „Aber weshalb war diese Strategie so verlockend? Sie schürte Konflikte mit den anderen Gruppen, ruinierte die Fischbestände und die Erträge brachen auch noch ein. Eure Fangpolitik verfehlte also mehrere Nachhaltigkeitsziele!“ (Verweis auf Sequenz 3.)

Die Lernenden dürften den massiven Druck beschreiben, den sie im Wettbewerb mit den anderen verspürten. Es sei wirtschaftlich vernünftig, eine expansive Fangpolitik zu betreiben. Wer moderat agiere, nütze nur den anderen.

2. Die Lernenden beurteilen die These von der “Tragik der Allmende”

Nun gilt es zu klären, welche Möglichkeiten bestehen, um den massiven Handlungsdruck, der im Fischerspiel zu sehen war, zu überwinden. Dazu stellt die Lehrperson der Klasse die Positionen von Garrett Hardin und Elinor Ostrom vor. Ehe die Lernenden Handout 4.4 lesen, sollten sie wissen, dass ihre Spielerfahrung nicht nur ein Modell der Realität ist, sondern auch seit Jahrzehnten die Wissenschaft beschäftigt. Die Lernenden verknüpfen das Spiel nun mit der gesellschaftlichen Realität und der wissenschaftlichen Analyse.

Die Klasse erhält den Auftrag, die kontroversen Positionen Hardins und Ostroms herauszuarbeiten. Die Aufgabe dabei lautet: „Arbeitet heraus, welche Möglichkeiten Hardin und Ostrom sehen, natürliche Ressourcen nachhaltig zu bewirtschaften. Vergleicht, in welchen Fragen sich die Wissenschaftler einig sind, in welchen nicht.“ Falls nötig, weist die Lehrperson die Lernenden darauf hin, dass mit „herausarbeiten“ nur die Wiedergabe der Inhalte von Handout 4.4 gemeint ist – ohne jeden weiteren Zusatz, z.B. ergänzende Informationen oder Wertungen. Diese können die Lernenden anschließend bei der Urteilsbildung einbringen.

Einzelarbeit: Die Lernenden lesen Handout 4.4, markieren Textstellen und halten das Ergebnis schriftlich fest. In Partnerarbeit (Tandems) vergleichen sie ihre Ergebnisse. Jedes Tandem präsentiert seine Ergebnisse im Plenum, wobei ein/e Schüler/in spricht und der/die zweite das Ergebnis in Stichworten an der Tafel festhält. Für weniger geübte Klassen kann die Lehrperson ein Vergleichsraster vorbereiten, um zeitraubende, textlastige Hefteinträge und Tafelanschriebe zu vermeiden (vorgegebene Rubriken unten in Kursivdruck markiert). Das zu erwartende Ergebnis wäre dann in etwa wie folgt:

Aufgabe:

Arbeitet heraus, welche Möglichkeiten Hardin und
Ostrom sehen, natürliche Ressourcen nachhaltig zu
bewirtschaften!

Vergleich Hardin Ostrom
Nachhaltiges Wirtschaften möglich? Nein (Tragik der Allmende) Ja (in zahlreichen Fällen bewiesen)
Gegensätze Allmende Allmende
Allmende (Definition) Für alle zugänglich Geschlossener Nutzerkreis
Nutzer Gewinnmaximierer Fähig und bereit, zu kooperieren
Übereinstimmung

Gefahren

Übernutzung natürlicher Ressourcen

Regeln zur Kontrolle nötig

Urteilsbildung: Per Handzeichen stellen die Lernenden ein Meinungsbild her, welcher der beiden Positionen sie zustimmen. Die Lehrperson hält das Ergebnis an der Tafel fest.

Es ist zu erwarten, dass die Lernenden ihre Erfahrungen aus dem Fischerspiel eher bei Hardin wiederfinden werden, der das Prinzip der individuellen Nutzenmaximierung in Konkurrenz gegeneinander und die schier unausweichliche Eigendynamik auf dem Weg in die Katastrophe beschreibt.

Im Klassengespräch gibt die Lehrperson Impulse, um diese Sicht zu überprüfen:

  • Im Fischerspiel handelte es sich um eine Allmende im Sinne Ostroms: Weshalb, so die Implikation, gelang es nicht, die Fangquoten unter Kontrolle zu bekommen?
  • Trifft die These Hardins zu, alle Menschen seien Nutzenmaximierer? Im Fischerspiel gibt es fast immer Unterschiede in der Fangpolitik der Gruppen, die teilweise versuchen, ökologisch verantwortungsbewusst zu handeln.
  • Die Gemeinsamkeiten zwischen beiden Wissenschaftlern verweisen auf die Regelungslücke, in der eine zentrale Ursache für die Eskalation der Konflikte zu suchen ist.

3. Verallgemeinerung: Lösung von Verteilungskonflikten als “Win-win”-Situation

Die Lernenden ziehen ein Fazit aus dem Fischerspiel und der Auswertung. Die Diskussion mag kontrovers verlaufen und die Lehrperson sollte nicht versuchen, ihre eigene Sicht durchzusetzen (Überwältigungsverbot). Da es sich um ein Sachurteil handelt – nämlich um die Suche nach einer Lösung für ein komplexes Problem – sind die Einigungschancen größer als bei Werturteilen. Bezogen auf die policy-Dimension erscheint folgende Schlussfolgerung plausibel:

  1. Das Modell der Nachhaltigkeit legt nahe, die maximale wirtschaftliche Ausbeute anzustreben, welche durch die Reproduktion der natürlichen Ressourcen dauerhaft erzielt werden kann.
  2. Der Ertrag müsste nach einem Schlüssel verteilt werden, den alle akzeptieren können. Dann ließe sich von einer „Win-win-Situation“ sprechen, die allen Zielen des Nachhaltigkeitsmodells gerecht wird.

4. Feedback oder Planungsgespräch

Falls die Lehrperson die Einheit mit dieser Sequenz abschließen möchte, bittet sie die Klasse um ein Feedback. Das kann beispielsweise in einer Blitztlichtrunde geschehen („Was ich in dieser Einheit gelernt habe …“ oder „Was für mich in dieser Einheit besonders wichtig/spannend war …“). Falls die Lehrperson ein differenzierteres Feedback wünscht, arbeitet sie mit einem Fragebogen (vgl. dazu Band I dieser Reihe).

Die Einheit bietet eine Fülle von Möglichkeiten, sowohl die inhaltlichen Aspekte der nachhaltigen Bewirtschaftung (policy) als auch die bislang ausgeklammerte institutionelle Dimension zu vertiefen. Die Lehrperson kann den Lernenden durch ein Planungsgespräch die Teilhabe an der Auswahlentscheidung eröffnen, bzw. sie an der weiteren Planung beteiligen. Sie übernehmen damit Verantwortung für den Erfolg ihres Unterrichts (Lehren und Lernen orientiert an Demokratie und Menschenrechten).

Zu den Themen und Fragestellungen im Anschluss an diese Einheit gehören die folgenden:

Policy

Wie sollten die Erträge verteilt werden (Verteilungsziel; z.B. nach dem Prinzip von Leistungs-, Bedarfs- oder Chancengerechtigkeit)?
Fallstudien:

  • Die Konstruktion des Planspiels ist ein Modell; wie agieren Akteure in der Realität? Besteht auch dort das Problem der unvollständigen Information?
  • Überprüfung einer Fallstudie von Elinor Ostrom.
  • Ist nachhaltiger Fischfang möglich, z.B. in Aquakulturen?

Polity

Die Polity-Dimension blieb in der Auswertung dieser Einheit offen. Nicht nur die Spielerfahrung, auch die Auswertung der Kontroverse zwischen Hardin und Ostrom ergab, dass die Lösung von Konflikten einen geeigneten institutionellen Rahmen voraussetzt. Dieser Problemstellung widmet sich die Ein-heit 5, mit der sich eine Verknüpfung in diesem Sinne sehr anbietet.

23. In Auszügen online zugänglich unter http://www.lpb-bw.de/publikationen/did_reihe/band22/ziefle.htm (Abruf am 05.07.2021).