Die Entscheidung des Fischerkonvents

Die folgende Übersicht unterstützt die Lehrperson bei der Planung und Durchführung der Sequenz.
Kompetenztraining benennt die Kompetenzen, welche die Lernenden in dieser Sequenz trainieren (Analyse-, Urteils-, Handlungs- und Methodenkompetenzen).
Das Erkenntnisziel beschreibt die inhaltlichkognitive Dimension des Lernertrags.
Aufgaben und Methoden dienen der Gestaltung des Lernprozesses.
Medien und Hilfsmittel bieten eine Checkliste für die technisch-organisatorische Vorbereitung.
Die Richtwerte zum Zeitbudget unterstützen das Zeitmanagement.
Kompetenztraining Urteilsbildung: eine Auswahlentscheidung abwägen und begründen.
Erkenntnisziel Funktion von Institutionen.
Aufgaben Die Lernenden

  • begründen Entschließungsanträge im Fischerkonvent;
  • debattieren die Vorschläge und entscheiden per Abstimmung.
Medien und Hilfsmittel

Handouts der Arbeitsgruppen, basierend auf Handout 5.3 und Handout 5.4.

Flipchart mit Whiteboardstiften

Methoden Rede, Debatte, Abstimmung.
Zeitbudget Fischerkonvent (45 Min.)

Information für Lehrpersonen

Der Fischerkonvent bildet den Höhepunkt und Abschluss des Entscheidungsspiels. Die Lernenden agieren in der Rolle von Fischer/innen, die sich auf einen institutionellen Rahmen zu einigen versuchen, um ihre Allmende – die Fischfanggründe – vor der Zerstörung zu bewahren.

Das Spiel gewinnt an Konkretheit und Anschaulichkeit, wenn der Konvent entsprechend inszeniert wird, z.B.:

  • Die Redner/innen sprechen von einem Rednerpult aus;
  • die Versammlungsleiter/innen sitzen an einem Tisch neben oder hinter dem Rednerpult;
  • die Teilnehmer/innen des Konvents sitzen in zwei Halbkreisen um das Rednerpult;
  • ein Schüler oder eine Schülerin dokumentiert den Konvent mit der Kamera; von allen Redner/innen sollte es ein Foto geben;
  • die Versammlungsleitung überträgt zwei Schüler/innen die Aufgabe, die Beschlüsse zu protokollieren.

Verlauf der Sequenz

Vorbereitung

Die Lehrperson bereitet einen Entwurf der Tagesordnung der Konferenz auf Folie oder Flipchart vor, der die folgenden Tagesordnungspunkte (TOP) umfasst:

TOP 1: Wahl der Versammlungsleitung

TOP 2: Annahme der Tagesordnung

TOP 3: Entscheidung über das Quorum

TOP 4: Debatte und Abstimmung über die Entschließungsanträge

Durchführung: Der Fischerkonvent

Zu TOP 1: Wahl der Versammlungsleitung

Die Fischer/innen lesen das Handout 5.4 (Geschäftsordnung), das der Versammlungsleitung und den Konferenzteilnehmer/innen als Anleitung und Orientierungshilfe dient. Sie wählen eine Versammlungsleitung, die aus drei Mitgliedern verschiedener Arbeitsgruppen bestehen sollte.

Zu TOP 2: Annahme der Tagesordnung

Die Versammlungsleitung verliest die Tagesordnung. Falls niemand widerspricht, gilt sie als angenommen.

Die Tagesordnung ist während der ganzen Sitzung gut sichtbar aufgehängt oder projiziert.

Zu TOP 3: Entscheidung über das Quorum

Der Konvent legt – mit einfacher Mehrheit – die Art des Quorums für die nachfolgenden Entscheidungen fest (Zweidrittelmehrheit oder einfache Mehrheit). Je ein Schüler oder eine Schülerin plädiert für eine der beiden Optionen. (Alternative: die Lehrperson stellt die zwei Möglichkeiten vor und lässt darüber abstimmen). Die Argumente könnten wie folgt lauten:

Für die qualifizierte Zweidrittelmehrheit: Da es sich um Bestimmungen grundlegender Art handelt, die in einem Staat Verfassungsrang hätten, spricht viel für ein Quorum von zwei Dritteln. Eine knappe Mehrheit sollte der Minderheit nicht ihren Willen aufzwingen können.
Für die einfache Mehrheit spricht hingegen die Chance, rascher – oder überhaupt – zu einer Problemlösung zu kommen.

Die Plädoyers werfen ein Schlaglicht auf das elementare Spannungsverhältnis zwischen Legitimation durch Teilhabe bzw. durch Effizienz.

Zu TOP 4: Debatte und Entscheidung über die Entschließungsanträge

Die Arbeitsgruppen verteilen ihre Entschließungsanträge an alle Anwesenden. In einer Lesepause von 5 Minuten verschaffen sich die Lernenden einen Überblick.

Nach dieser Lesephase tragen die Sprecher/innen ihre Entschließungsanträge vor.

Der Konvent geht die Grundfragen (vgl. Handout 5.2) der Reihe nach gemäß folgendem Muster durch:

  • Die Arbeitsgruppe aus dem Gruppenpuzzle stellt ihren Entschließungsantrag zur Diskussion;
  • die Zuhörer/innen können Verständnisfragen stellen;
  • alle Beteiligten haben das Recht, einen Alternativantrag zu stellen;
  • der Konvent stimmt ab.

Erweiterte Lernchancen des Konvents

Innerhalb eines Zeitrahmens von 45 Min. ist es realistisch, alle Gruppen zu hören und über ihre Entschließungsanträge zu entscheiden. Nicht leistbar ist es jedoch, die Einzellösungen zu einem System zu verknüpfen und zu prüfen, inwieweit sie untereinander kompatibel sind. Dies könnte und sollte im Anschluss geschehen, insbesondere dann, wenn der Impuls dazu von den Lernenden ausgeht. Der Konvent geht dann in eine weitere Phase, für die zusätzlich Zeit aufgewendet werden muss. Die erweiterten Lernchancen gehen mit erhöhter Komplexität einher.

Dazu ein Beispiel:

Das Plenum behandelt im Konvent die Problemfrage 2: Wie sollen Regelverstöße geahndet werden? Die Arbeitsgruppe schlägt einen konservativ orientierten Lösungsweg vor, der auf Abschreckung und Strafe setzt. Aus dem Plenum kommt ein liberal orientierter Gegenvorschlag, der auf Dialog und Resozialisierung setzt. Eine weitere Gruppe schlägt eine Kombination vor, die beide Elemente inte-griert: Es kommt auf den Einzelfall an; in leichteren Fällen soll der Täter ermahnt werden und eine zweite Chance bekommen, in schweren Fällen wird eine Strafe verhängt. Es kommt eine Lösung zustande, die der Strafzwecklehre (konservative Variante) entspricht.

Jetzt kommt die Frage auf, wer über das Strafmaß entscheidet und auf welcher Grundlage dies geschehen soll. Damit ist der Konvent an die Grundfrage 1 zurückverwiesen. Falls diese Frage – etwa im Sinne der Gewaltenteilung – noch nicht geklärt wurde, wäre nun der Anlass gegeben, diese Entscheidung nachzuholen. Die weitere Diskussion zu dieser Frage wird vertagt, bis die Entschließungsanträge aller Gruppen behandelt wurden.

In der Erweiterung des Konvents kommt jetzt ein zusätzlicher Punkt auf die Tagesordnung:

Zu TOP 5: Überprüfung und Verknüpfung der einzelnen Bestimmungen

In Anknüpfung an das oben beschriebene Beispiel ist folgende Fortsetzung denkbar: Die Lernenden stellen fest, dass ein Gremium mit Befugnissen, die denen eines Gerichts gleichen, den Einzelfall prüfen und über angemessene bzw. verhältnismäßige Sanktionen oder Maßnahmen zur Besserung entscheiden sollte.

Der Konvent hat bereits beschlossen, dass der Fischerkonvent über Sanktionen und Besserungsmaßnahmen entscheidet, die in der Satzung verankert werden. Nun kommt ein Gericht hinzu, das über Sanktionen entscheidet. Die Lernenden orientieren sich am Prinzip der Gewaltenteilung und integrieren es in den Kontext einer Gesellschaft mit wenigen Mitgliedern, so dass die Legislative in der Hand aller Bürger bleiben kann, die im Konvent abstimmen. Auf Wahlen kann die Fischer-Gesellschaft verzichten.

Das Beispiel verdeutlicht, dass das Entscheidungsspiel dazu auffordert, ein Institutionensystem zu konstruieren, das den Problemen der Fischergesellschaft Rechnung trägt. Der Konvent verknüpft Einzellösungen zu einem stimmigen Ganzen.

Das Ergebnis sollte dokumentiert werden, z.B. in Form eines Schaubilds auf einem Flipchartbogen, der auch in der folgenden Auswertungs-Sequenz zur Verfügung steht. Gut möglich ist, dass die Lehrperson in einem derartigen „fruchtbaren Moment“ durch Impulse oder Vorschläge intervenieren oder die Leitung übernehmen muss, um die Lernchancen für die Lernenden zu optimieren.

Angesichts des hohen Zeitaufwands sollte die Lehrperson das Entscheidungsspiel beenden, wenn die Lernenden ein oder zwei Integrationsleistungen der hier beschriebenen Art vollbracht haben. Wichtiger als die Produktion einer voll ausgearbeiteten Satzung oder Verfassung ist es, dass die Lernenden sich exemplarisch das Konstruktionsprinzip „detailkonkretisierender“ (Karpe) politischer bzw. ökonomischer Institutionen verständlich machen.