Sequenz 5: Was haben wir gelernt?
Living Democracy » Textbooks » An der Demokratie teilhaben » Teil 2 – Teilhabe an politischen Entscheidungsprozessen: Lösung von Problemen und Konflikten » EINHEIT 5: Regeln und Recht » Sequenz 5: Was haben wir gelernt?Auswertung des Entscheidungsspiels
Die folgende Übersicht unterstützt die Lehrperson bei der Planung und Durchführung der Sequenz. Kompetenztraining benennt die Kompetenzen, welche die Lernenden in dieser Sequenz trainieren (Analyse-, Urteils-, Handlungs- und Methodenkompetenzen). Das Erkenntnisziel beschreibt die inhaltlichkognitive Dimension des Lernertrags. Aufgaben und Methoden dienen der Gestaltung des Lernprozesses. Medien und Hilfsmittel bieten eine Checkliste für die technisch-organisatorische Vorbereitung. Die Richtwerte zum Zeitbudget unterstützen das Zeitmanagement. |
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Kompetenztraining | Reflexion persönlicher Erfahrung. |
Erkenntnisziel |
Rahmungs- und Ordnungsfunktion von Institutionen. Informelle und regelbasierte Institutionen. |
Aufgaben | Die Lernenden arbeiten den Unterschied zwischen informellen und regelbasierten Institutionen heraus. Sie reflektieren ihren Lösungsansatz im Entscheidungsspiel. |
Medien und Hilfsmittel | Handout 5.5, Material für Lehrpersonen 4.4, 5.1. |
Methode | Plenumsgespräch, Blitzlichtrunde |
Zeitbudget | 1. Rollendistanzierung (15 Min.) 2. Sicherung des exemplarischen Lernertrags (20 Min.) 3. Planungsgespräch (10 Min.) |
Information für Lehrpersonen
Für den zweiten Schritt der Sequenz – Sicherung des exemplarischen Lernertrags – wählt die Lehr-person ein Erkenntnisziel aus. Abgesehen von der Sachlogik (Relevanz) orientiert sie sich dabei an den Lernchancen, die sich während des Entscheidungsspiels entwickelt haben. Die Signale der Lernenden in der Rollendistanzierungsphase lassen erkennen, wie hoch ihr Interesse (noch) ist.
Verlauf der Sequenz
1. Rollendistanzierung
Die Lehrperson wählt aus der Sammlung von Fragen und Impulsen zur Auswertung von Simulationsspielen (vgl. Material für Lehrpersonen 4.4) eine oder zwei Fragen aus, die dem Kontext angemessen scheinen. Als Methoden kommen eine Blitzlichtrunde oder ein Gespräch im Plenum in Betracht. Beim Gespräch achtet die Lehrperson darauf, dass möglichst viele Schülerinnen und Schüler auf die Impulsfrage antworten.
„Wie haben sich die Spieler/innen insgesamt beteiligt?“ Diese Frage bietet sich an, falls es in den beiden Arbeitsgruppenphasen oder im Konvent deutliche Unterschiede in der Schüleraktivität gab. Die Frage könnte helfen, das Verhalten der schweigsameren und zurückhaltenderen Schülerinnen und Schüler besser zu verstehen, etwa anhand von Äußerungen wie: „Ich habe eher mitgedacht.“ oder „Ich konnte mit dem Thema nicht so viel anfangen.“ Aus solchen Feedbacks ergeben sich wichtige Hinweise für die weitere Auswertung.
Falls der Konvent kontrovers verlief und unterschiedliche politische Grundorientierungen erkennbar waren, kann die Lehrperson nachfragen:
- Wie sachbezogen und konstruktiv war die Auseinandersetzung?
- Welche kritischen Situationen und Spannungen gab es? Wie wurden sie ggf. gelöst bzw. warum nicht?
2. Sicherung des exemplarischen Lernertrags: Welchen Zweck erfüllen politische Institutionen? (Funktionaler Institutionenbegriff)
Sinnvoll ist zu diesem Zeitpunkt der Sequenz, den Begriff der Institution einzuführen und die Lernenden dazu anzuspornen, politische Institutionen nach ihrer Funktion zu befragen. Dabei sollte der Erkenntnisprozess induktiv ansetzen, d.h. am Kontext und den Inhalten des Entscheidungsspiels.
Die Lehrperson kann den Lernenden einen Impuls geben, der ihnen hilft, sich ihres Denkansatzes während des Entscheidungsspiels bewusst zu werden: Gut geeignet ist z.B. Karpes Hinweis: „… die Spannbreite von Institutionen (lässt) ein Kontinuum zu, das von vagen Tabus und Sitten an einem Ende bis zu detailkonkretisierenden Rechtsverordnungen am anderen Ende reicht.“ (Karpe 2008a:173). Dies lässt sich an der Wandtafel anschaulich in ein Skalenmodell umsetzen:
In der Erläuterung des Modells präzisiert die Lehrperson das Basiskonzept der Institution: Menschliches Handeln und Institution verhalten sich zueinander wie Inhalt und Form. Keines ist ohne das andere denkbar.
Im Klassengespräch arbeiten die Lernenden mit dem Modell. Ggf. kann eine sog. „Murmelphase“ (Partnerarbeit) vorgeschaltet werden:
- Welche Art von Institution bestand im Fischerspiel?
- Wie wäre die Geschäftsordnung (Handout 5.4) einzuordnen, die beim Fischerkonvent galt?
- Welche Institutionen hat der Fischerkonvent angenommen bzw. verworfen? Wo auf der Achse sind diese Institutionen jeweils anzuordnen?
Die Lernenden vergleichen ihre Ergebnisse und tragen sie in das Schaubild ein. Am linken Pol des Spektrums etwa: „Fischerspiel: Erwartungen, Saisonrhythmus, Zwänge“ und am rechten Pol: „Geschäftsordnung: Paragrafen, Rechte, Zuständigkeiten, Leitung“. Eine Ausnahme bildet § 1, Ziff. 6 der Geschäftsordnung, welcher der Versammlungsleitung bei der Verhängung von Sanktionen einen Ermessensspielraum belässt und sie nur auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verpflichtet.
Die Lernenden stellen fest, dass sich alle Expertengruppen bemüht haben, die Probleme der Fischer zu lösen, indem sie eine stärkere Regulierung im Detail anstrebten; auf diesen Nenner lassen sich alle Entwürfe – auch die libertären – bringen. Auch diese Positionen tragen sie auf dem Skalenmodell ein.
Die Frage nach den Gründen für diese Entscheidungen führt zum Rekurs auf die dienende Funktion politischer und ökonomischer Institutionen: Diese ermöglichen den Akteuren, politische Interessenkonflikte und ökonomischen Wettbewerb hart, aber friedlich auszutragen. Die nur vagen und unverbindlichen ungeschriebenen Regeln im Fischerspiel reichten nicht aus, um diese Ordnungsfunktion zu erfüllen. Institutionen unterdrücken Konflikte nicht, aber sie können den Austrag von Konflikten zivilisieren.
3. Planungsgespräch
Der Lernertrag des Entscheidungsspiels wird für die Lernenden durch den Transfer bedeutsam; erst bei diesem Schritt erfahren sie, dass sie mit ihren neu erworbenen Kenntnissen etwas anfangen können. Aus Kenntnissen können Kompetenzen werden, und insofern weist diese Einheit wie jede andere über sich hinaus. Einige naheliegende Möglichkeiten zum Transfer und zur Vertiefung seien abschließend skizziert.
- Die Fragestellung des Transfers greift erneut die genetische Perspektive auf, die den Lernenden aus dem Entscheidungsspiel vertraut ist. Möglichkeiten der Vertiefung:
– unter ausgewählten Fragestellungen einen Vergleich zwischen den Problemlösungen der Lernenden und dem realen Institutionensystem, also der Verfassung und der Rechtsordnung, ziehen;
– einen Vergleich zwischen den Problemlösungen der Lernenden und den Fallbeispielen Elinor Ostroms (2011:47–84) zur Bewirtschaftung von Gemeingütern ziehen. - Der Fischerkonvent beschreibt ein idealtypisches Szenario, das an die Fiktion des Gesellschaftsvertrags erinnert. Dieser Entwicklungspfad demokratischer Institutionen hat jedoch wenig mit der historischen Realität zu tun: Demokratisierung ist nicht demokratisch. Claus Offes (2003b:154) These dazu lautet, dass eine Demokratie stets aus einem undemokratischen System hervorgehe, und dieses Regime werde nicht mit demokratischen, sondern mit gewaltsamen Mitteln gestürzt. Zugespitzt formuliert: Demokratien haben blutige Wurzeln. Die Lernenden überprüfen die These Offes mit Hilfe ihrer historischen Kenntnisse, z.B. zur Französischen Revolution.
- Im Entscheidungsspiel bewegen sich die Lernenden im Spannungsfeld der vier konkurrierenden politischen Grundpositionen. Die Einheit eröffnet den Jugendlichen somit die Lernchance, sich auch die „politische Landkarte Geografie“ zu erschließen, die sich seit der Französischen Revolution herausgebildet hat und bis heute die Grundlinien der politischen Ideologien und Parteiensysteme beherrscht. Petrik (2013:197) modelliert diese in seinem „Kompass der vier politischen Grundorientierungen“ der die liberale, konservative, sozialistische und libertäre Grundposition umfasst (vgl. dazu das Material für Lehrpersonen 5.1 und Handout 5.5).
Im Anschluss an das Entscheidungsspiel greifen die Lernenden ihre Antworten auf die gesellschaft-lichen Grundfragen – Herrschafts- und Eigentumsform – wieder auf. Handout 5.5 kann als induktiver Zugang dienen. Hier sind die fünf Grundfragen, mit denen sich die Lernenden im Entscheidungsspiel befassten, mit einem Set idealtypischer Lösungen aus der Perspektive der vier politischen Grundpositionen vernetzt.
Mit Hilfe des Kompass-Modells (Kompass der politischen Grundorientierungen; siehe Material für Lehrpersonen 5.1) können die Lernenden sich selbst bzw. politische Parteien und Akteure in Bezug auf die gesellschaftlichen Grundfragen zu verorten suchen.