Sequenz 1: Die Mehrheit entscheidet – und das war’s?
Living Democracy » Textbooks » An der Demokratie teilhaben » Teil 2 – Teilhabe an politischen Entscheidungsprozessen: Lösung von Problemen und Konflikten » EINHEIT 7: Gleichberechtigung » Sequenz 1: Die Mehrheit entscheidet – und das war’s?Eine Modell-Fallgeschichte
Die folgende Übersicht unterstützt die Lehrperson bei der Planung und Durchführung der Sequenz. Kompetenztraining benennt die Kompetenzen, welche die Lernenden in dieser Sequenz trainieren (Analyse-, Urteils-, Handlungs- und Methodenkompetenzen). Das Erkenntnisziel beschreibt die inhaltlichkognitive Dimension des Lernertrags. Aufgaben und Methoden dienen der Gestaltung des Lernprozesses. Medien und Hilfsmittel bieten eine Checkliste für die technisch-organisatorische Vorbereitung. Die Richtwerte zum Zeitbudget unterstützen das Zeitmanagement. |
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Kompetenztraining | Problemanalyse (Analyse eines politischen Problems). |
Erkenntnisziel | Das Problem der „ewigen Mehrheit“: Minderheiten müssen sich stets fügen. |
Aufgabe | Die Lernenden analysieren und beschreiben ein politisches Problem. Sie suchen nach einer Lösung für das Mehrheits-/Minderheiten-Problem und greifen dabei auf ihre Vorkenntnisse bzw. ihre Intuition zurück. |
Medien und Hilfsmittel | Handout 7.1, 7.3, 7.4 |
Methoden | Einzelarbeit, Plenumsdiskussion, Kurzprojekt |
Sitzordnung | Hufeisen. |
Zeitbudget | 1. Einstieg: Worin besteht das Problem?. (15 Min) |
2. Instruktion zum Arbeitsauftrag. (10 Min) | |
3. Gruppenarbeit (Projekt). (15 Min) |
Information für Lehrpersonen
Die Sequenz 1 liefert den Lernenden einen induktiven Einstieg in das Mehrheits-/Minderheiten-Problem. In einer fiktiven Fallgeschichte wird es hier in didaktisch reduzierter Form dargeboten: Ein Sportverein wird als Mini-Gemeinschaft dargestellt, die aus nur zwei Gruppen besteht – einer größeren und einer deutlich kleineren. Die Lernenden agieren als externe Berater. Das Problem, für das sie eine Lösung finden sollen, entspricht demjenigen ganzer Gesellschaften bzw. politischer Gemeinwesen.
In bestehenden Verfassungen und Gesetzen finden sich entsprechende Lösungen. Der Lernertrag für die Lernenden ist jedoch höher, wenn sie sich zunächst selbst an einer Problemlösung versuchen.
Frontalbestuhlung ist auch in dieser Sequenz – wie fast immer – ungeeignet zur Unterstützung des Klassengesprächs und Diskussion. Als Standardbestuhlung eignet sich besonders das Hufeisen.
Verlauf der Sequenz
1. Einstieg: Worin besteht das Problem?
Die Lehrperson informiert die Lernenden, dass die Sequenz mit einer Fallgeschichte beginnt. Sie verteilt das Arbeitsblatt Handout 7.1. Zwei oder drei Schülerinnen und Schüler lesen die Fallgeschichte vor. In der Einstiegsphase einer Sequenz eignet sich diese Darbietungsform besser als eine Stilllesephase, um der Klasse einen gemeinsamen Start zu ermöglichen.
Anschließend gibt die Lehrperson den folgenden Arbeitsauftrag: „Erklärt, worin das Problem besteht.“
Die Lernenden erhalten einige Minuten Stillarbeitszeit, um über den geschilderten Fall nachzudenken und ihre Problemdefinition festzuhalten. So haben auch die langsameren und die eher zurückhaltenden Schülerinnen und Schüler eine Chance, etwas zum Klassengespräch beizusteuern.
Im Klassengespräch tragen etwa 4 – 6 Schülerinnen und Schüler ihre Problembeschreibungen vor. Sie stützen sich auf ihre Notizen oder lesen diese vor. Die Lehrperson fragt ggf. nach, falls die Ler-nenden ihre Beiträge präzisieren sollten. Weder die Lehrperson noch einzelne Lernende kommentieren diese Kurzvorträge.
Die Lehrperson fasst die Beiträge an der Tafel oder über den Beamer zusammen; in entsprechend trainierten Klassen können Schülerinnen und Schüler diese Aufgabe übernehmen. Das Ergebnis dürfte auf das Demokratieprinzip bzw. den Grundsatz der Gleichberechtigung (Diskriminierungsverbot) fokussieren, die zu einer ungleichen Gewichtung der Interessen von Mehrheit und Minderheit führen; vgl. die linke Spalte der möglichen Zusammenfassung:
Eine Gemeinschaft en miniature: Der Sportverein | |
Das Problem | Lösungsvorschläge |
Verletzung des Gleichheitsgrundsazes Minderheit: Gefühl der Benachteiligung Ewige Gewinner und Verlierer (win-lose) |
Kompromiss: Berücksichtigung der Min-derheiten-Interessen Schachspieler verlassen den Verein (lose-lose) |
Mehrheitsregel in der Demokratie Mehrheitsregel unverzichtbar |
Definition der Mehrheit anpassen (Quorum) |
Mehrheitsregel unzumutbar | Mehrheit muss Rücksicht nehmen |
Den Lernenden sollte klar geworden sein, dass ein Konflikt wie der im Fallbeispiel geschilderte einer Lösung bedarf (Dringlichkeit des Problems). Sie nennen Lösungsmöglichkeiten, die in der rechten Spalte der Übersicht hinzugefügt werden.
Es ist nicht erforderlich, dass zu allen Teilproblemen ein Lösungsvorschlag gefunden wird. Die Lernenden sollten die Lösungen in der Einstiegsphase auch nicht weiter im Plenum erörtern.
Im Klassengespräch machen sich die Lernenden die Dringlichkeit des Problems bewusst: Niemandem wäre gedient, wenn die Schachspieler geschlossen aus dem Verein austreten und ihren eigenen Club gründen würden. Zwei kleinere Vereine hätten z.B. nicht nur kleinere Budgets, sondern auch höhere Kosten. Daher lohnt sich die Mühe, den Konflikt im Sportverein zu schlichten. Das erfordert jedoch eine Lösung, die sowohl dem Demokratieprinzip – der Mehrheitsregel – als auch dem Grundsatz der Gleichbehandlung gerecht wird.
2. Instruktion zum Arbeitsauftrag
a) Ein politisches Problem
Die Lehrperson weist darauf hin, dass diese Fallgeschichte modellhaft für ein reales gesellschaftliches Problem steht und dass das Mehrheits-/Minderheits-Problem durchaus eine politische Dimension aufweist. Das Modell lässt das Problem deutlicher hervortreten und vereinfacht die Aufgabe etwas. Die Ergebnisse lassen sich anschließend mit der gesellschaftlichen Wirklichkeit vergleichen bzw. auf sie anwenden.
Der Arbeitsauftrag knüpft an die Fallgeschichte an: Die Vereinsmitglieder holen sich Hilfe von externen Beratern, die eine neue Satzung entwerfen sollen, welche dem Verein künftig solche existenzbedrohende Konflikte erspart. Als Beraterteams fungieren die Lernenden; sie entwickeln Vorschläge, die anschließend verglichen und bewertet werden.
Die Lehrperson umreißt, falls notwendig, nochmals das Grundproblem: Zwei Prinzipien müssen be-achtet werden – Fairness und Demokratie. Dies bedeutet, dass der Mehrheits-/Minderheitskonflikt einerseits auf faire Weise gelöst werden muss: Die Minderheit wird es nicht hinnehmen, permanent überstimmt zu werden. Sie wird auf ihren Interessen insistieren und verlangen, dass ihre Beiträge auch ihr zugutekommen. Andererseits kann die Mehrheit darauf verweisen, dass in einer Demokratie die Mehrheit entscheidet und sich eben nicht der Minderheit unterordnen muss.
Die Lernenden lesen Handout 7.3 und 7.4.
b) Die erwartete Lösung
Die Lernenden müssen genau verstehen, was von ihnen erwartet wird. Handout 7.3 beschreibt die Aufgabe, Handout 7.4 enthält das Raster für die vergleichende Präsentation. Für geübte Lerngruppen dürfte es ausreichen, den Auftrag zu übergeben und die Gruppen selbstständig arbeiten zu lassen. Klassen, die mit offenen, problemlösenden Aufgaben weniger vertraut sind, benötigen eine eingehendere Instruktion zu den einzelnen Arbeitsschritten:
- Die Lernenden formulieren in eigenen Worten, worin das Problem besteht und welchen Beitrag sie zur Lösung liefern sollen.
- Die Lehrperson weist insbesondere auf zwei Problemfelder hin, die zu beachten sind: die Verfahrensregeln, welche die Berücksichtigung der Minderheitengruppe gewährleisten („poli-ty“-Dimension) sowie Proporz-Grundsätze der Verteilung der Mitgliedsgelder („policy“-Dimension). Die Lernenden sollten verstehen, dass die Fallgeschichte Problemlagen der realen Gesellschaft modellhaft abbildet. Die Satzung des Sportvereins, an deren Verbesserung sie arbeiten, erfüllt die gleiche Funktion wie die Verfassung eines Staates für die Gesellschaft.
c) Das Kurzprojekt
Klassen mit Projekterfahrung können sich ihren Arbeitsprozess selbst organisieren und Aufgaben unter den Mitgliedern verteilten.
Klassen, die zu ersten Mal im Projekt arbeiten, benötigen Hinweise von der Lehrperson: Die Lernenden arbeiten in Gruppen, die arbeitsteilig organisiert sind (Team-, Material-, Zeit-, Sozialmanager/in). Die Materialmanager besorgen für ihre Gruppen Flipchartbögen und Marker. Die Lehrperson instru-iert die Zeitmanager über den verfügbaren Zeitrahmen (bis zum Ende der zweiten Sequenz) und weist die Teammanager darauf hin, dass die Gruppen sich eine Hausaufgabe stellen können.
3. Gruppenarbeit
Je 4–6 Schülerinnen und Schüler bilden eine Gruppe. Ihnen steht die restliche Zeit in dieser Sequenz sowie die folgende Sequenz zur Verfügung.
Die Lehrperson kann die Teammanager zu Beginn der zweiten Sequenz zu einer kurzen Besprechung bitten, um sich über den Zwischenstand der Arbeit und die weiteren Aufgabenplanung zu informieren.