Sequenz 1: Worum geht es im „Burkini-Fall“?
Living Democracy » Textbooks » An der Demokratie teilhaben » Teil 1: Teilhabe in der Gesellschaft » EINHEIT 3: Pluralismus und Vielfalt » Sequenz 1: Worum geht es im „Burkini-Fall“?Konfrontation mit dem Problem
Konfrontation mit dem Dilemma
Die folgende Übersicht unterstützt die Lehrperson bei der Planung und Durchführung der Sequenz. Kompetenztraining benennt die Kompetenzen, welche die Lernenden in dieser Sequenz trainieren (Analyse-, Urteils-, Handlungs- und Methodenkompetenzen). Das Erkenntnisziel beschreibt die inhaltlichkognitive Dimension des Lernertrags. Aufgaben und Methoden dienen der Gestaltung des Lernprozesses. Medien und Hilfsmittel bieten eine Checkliste für die technisch-organisatorische Vorbereitung. Die Richtwerte zum Zeitbudget unterstützen das Zeitmanagement. |
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Kompetenztraining, Ziele |
Bereitschaft zum Perspektivenwechsel (Handelnde – Betroffene). Politisches Problem: Soll die Schule bzw. die Gesellschaft Rücksicht auf die religiösen Gebote von Minderheiten nehmen? |
Aufgaben | Die Lernenden
– analysieren den Streit um Befreiung vom Schwimmunterricht (Konfrontation mit dem Fall); |
Medien und Hilfsmittel |
Handout 3.1 Fallgeschichte Material für Lehrpersonen 3.1: Fallstudie Flipchartbögen, Marker |
Methoden |
Fallstudie (Makromethode) Positionsspiel |
Information für Lehrpersonen
Das Positionsspiel in der Einstiegsphase bringt alle Schülerinnen und Schüler rasch ins Spiel.
Falls die Lernenden mehr Hilfestellung für die Fallstudie benötigen, kann die Lehrperson nach dem Positionsspiel einen Arbeitsauftrag zur Auswertung von Handout 3.1 (Fallgeschichte) einschieben, den die Klasse im Plenum auswertet. Die Analyse und Entscheidung des Falls in Gruppen wird auf diese Weise vorentlastet, die Arbeitszeit für die Gruppen lässt sich verkürzen. Grundsätzlich wäre die anspruchsvollere bzw. stärker handlungsorientierte Variante vorzuziehen, da komplexere Aufgaben einen höheren Kompetenzgewinn ermöglichen.
Für die hier gewählte Variante der Fallstudie, in der den Lernenden die Urteile der Gerichte zunächst noch nicht vorgelegt werden, ist die integrierte Abfolge der 1. und 2. Sequenz in einer 90-Minuten-Einheit notwendig. Würden diese beiden ersten Sequenzen zeitlich auseinander liegen, wäre kaum zu verhindern, dass sich einige Schülerinnen oder Schüler bereits im Voraus die Informationen beschaffen, die sie in der 3. Sequenz in Handout 3.3 ff. erhalten würden.
Wo die Aufteilung der Sequenzen auf zwei Einzelstunden unumgänglich ist, müsste die „stated problem“-Variante zum Zuge kommen (vgl. Kaiser/Brettschneider 2011:146): Die Gruppen erhalten in diesem Falle das gesamte Material zur Verfügung gestellt (Handout 1–6) und die Kernaufgabe verändert sich entsprechend: Die Lernenden prüfen nicht mehr die Entscheidungsalternativen und begründen ihre eigene Entscheidung, sondern setzen sich kritisch mit den Urteilen der Gerichte auseinander.
Verlauf der Sequenz
Vorbereitung: Falls notwendig, muss für das Positionsspiel zunächst Platz im Klassenzimmer geschaffen werden.
1. Konfrontation mit dem Problem (Positionsspiel)
Die Lehrperson schildert das Problem: Alisa, eine Schülerin muslimischen Glaubens, besucht die 5. Klasse eines Gymnasiums. Ihre Eltern haben beim Schulleiter beantragt, sie vom koedukativen Schwimmunterricht zu befreien, da dies die Gebote ihres Glaubens verletze. Die Schulleitung lehnte den Antrag ab. Alisa bleibt dem Schwimmunterricht trotzdem fern und riskiert im Halbjahreszeugnis die Note 6 (ungenügend). Haltet Ihr die Entscheidung der Schulleitung für richtig?
Die Lernenden beziehen im Klassenraum entlang einer Linie Position: Am einen Pol versammeln sich die Befürworter der Entscheidung, am anderen die Kritiker. Unentschlossene versammeln sich in der Mitte. In einer kurzen Murmelphase tauschen die Gruppen ihre Argumente aus und tragen sie anschließend vor. Die Lehrperson moderiert. Das Positionsspiel kann Impulse für weitere Argumente liefern und sich in eine Debatte verwandeln. Insbesondere die Gruppe in der Mitte dürfte zudem noch Fragen liefern, die zur weiteren Klärung des Falls dienen können. Die Befürworter werden eher eine zweckrationale Perspektive einnehmen – „Das System muss funktionieren“ – während die Kritiker der Entscheidung vermutlich die Perspektive der betroffenen Schülerin und ihrer religiösen Minderheit vertreten.
Die Lehrperson schließt das Positionsspiel nach spätestens 8 Minuten ab. Die Klasse rekapituliert die Kernargumente und -fragen, die Lehrperson hält sie an der Tafel fest.
2. Die Lehrperson führt die Makromethode der Fallstudie ein
Falls die Lernenden keine Erfahrung mit Fallstudien haben, ist eine sorgfältige Instruktion notwendig. Die Lehrperson beschreibt das Verfahren. Zur Visualisierung bzw. für ein Schüler-Handout eignet sich gut die Übersicht „Fallstudie“ (= Material für Lehrpersonen 3.1).
Die Lehrperson begründet auch die Wahl der Methode: Der Fall wurde vor und auch nach dem Urteil der letzten Instanz in der Öffentlichkeit breit und kontrovers diskutiert. Im Zentrum steht dabei die (Streit-)Frage, wie wir miteinander in einer sich zusehends ausdifferenzierenden pluralistischen Gesellschaft umgehen wollen und welche Geltung dabei die Menschenrechte beanspruchen sollen. Die Fallstudie trainiert das Urteilsvermögen, ohne das kein Bürger an öffentlichen Debatten und demokratischen Entscheidungen teilnehmen kann.
Abschließend klärt die Lehrperson den organisatorischen Rahmen. Das Handout 3.3 liefert den Gruppen eine präzise Arbeitsanweisung.
Zur Sequenz 2, die sich möglichst nahtlos anschließen sollte, bilden die Lernenden Gruppen.