Sequenz 2: Ein Blick zurück: Durch welche Entscheidungen wurde ich zu der Person, die ich heute bin?
Living Democracy » Textbooks » An der Demokratie teilhaben » Teil 1: Teilhabe in der Gesellschaft » EINHEIT 1: Identität » Sequenz 2: Ein Blick zurück: Durch welche Entscheidungen wurde ich zu der Person, die ich heute bin?Welche Entscheidungen wirkten sich am stärksten auf mein Leben aus?
Die folgende Übersicht unterstützt die Lehrperson bei der Planung und Durchführung der Sequenz. Kompetenztraining benennt die Kompetenzen, welche die Lernenden in dieser Sequenz trainieren (Analyse-, Urteils-, Handlungs- und Methodenkompetenzen). Das Erkenntnisziel beschreibt die inhaltlichkognitive Dimension des Lernertrags. Aufgaben und Methoden dienen der Gestaltung des Lernprozesses. Medien und Hilfsmittel bieten eine Checkliste für die technischorganisatorische Vorbereitung. Die Richtwerte zum Zeitbudget unterstützen das Zeitmanagement. |
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Kompetenztraining | Die autobiographische Perspektive. |
Zielsetzung (Erkenntnis-ziel) | Unsere Entscheidungen und diejenigen anderer Menschen beeinflussen unser Leben maßgeblich. |
Aufgabe | Die Lernenden reflektieren, welche Entscheidungen ihr Leben in besonderer Weise beeinflusst haben. |
Medien und Hilfsmittel | Handout 1.1 (siehe unten). Flipchartbögen, Papierstreifen (A6), Flipchartstifte, Klebestifte. |
Methoden | Einzelarbeit. Plenumsdiskussion. |
Zeitbudget | 1. Die Lernenden erkunden grundlegende Ent-scheidungen in ihrer Entwicklung. (15 Min) |
2. 2. Sie präsentieren und vergleichen ihre Ergebnisse. (15 Min) | |
3. Sie werten das Gesamtergebnis aus. (10 Min) |
Information boxDie Entscheidungen, die das einzelne Individuum in seinem Leben trifft, prägen seine Identität entscheidend mit. In dieser Sequenz nehmen die Lernenden eine autobiographische Perspektive ein, indem sie solchen Entscheidungen in ihrem bisherigen Leben nachgehen. In der nachfolgenden Sequenz blicken sie in die Zukunft und fragen nach ihren Lebensentwürfen. Die Grundfrage bleibt die gleiche: welche Auswirkungen haben unsere Entscheidungen auf unser Leben – und auf das Leben anderer Menschen? In der Sequenz 2 setzen sich die Lernenden engagiert mit ihrer Biografie auseinander. Einige ihrer Ergebnisse tragen sie im Plenum vor und vergleichen sie. |
Verlauf der Sequenz
Vorbereitung
Bevor die Sequenz beginnt, heftet die Lehrperson zwei Flipchartbögen an die Tafel und überträgt das Schaubild aus Handout 1.1 auf das untenstehende Poster.
1. Die Lernenden erkunden grundlegende Entscheidungen in ihrer Entwicklung
The teacher introduces the task
Die Lehrperson führt in die Aufgabe ein.
Die Lehrperson weist auf das Thema der Sequenz auf dem Poster hin (informierender Unterrichtseinstieg). In wenigen Sätzen stellt sie den Bezug zur vorhergehenden Sequenz her: Unser Handeln besteht aus einer ständigen Folge unterschiedlichster Entscheidungen – n und kleinen, geplanten und spontanen –, die teils folgenlos, teils von grundlegender Bedeutung für unser Leben und dasjenige anderer Menschen sind. Entscheidungsfreiheit ist ein Menschenrecht. Das heutige Thema bietet den Lernenden die Gelegenheit, auf ihre Lebensgeschichte zurückzuschauen und jene Entscheidungen ausfindig zu machen, die in der Entwicklung zu der Person, die sie heute sind, eine Rolle spielten. Zusatzimpuls: Wer traf diese Entscheidungen? Sie selbst? Oder jemand anders?
Das Poster entspricht dem Handout 1.1, das die Lernenden gleich erhalten werden. Es bildet in der Zeitleiste ihre bisherige Lebensspanne ab.
Die Lehrperson fügt die Jahreszahlen hinzu, die dem Geburtsjahrgang der Lernenden und der Gegenwart entsprechen.
In der oberen Hälfte tragen die Lernenden jene Entscheidungen ein, die sie bis jetzt selbst getroffen haben; in der unteren Hälfte die Entscheidungen anderer Menschen. Es kann ein sehr persönliches Dokument werden, das jetzt entsteht. Daher arbeiten die Lernenden allein und entscheiden auch selbst, was sie anschließend im Plenum zur Sprache bringen wollen.
Die Lernenden nehmen eine autobiographische Perspektive ein
Die Lernenden erhalten je eine Kopie des Handouts Handout 1.1 und arbeiten allein (Stillarbeit, 10–15 Minuten). Die Aufgabe ist zugleich ein Impuls, ihre persönliche Erfahrung aus autobiographischer Perspektive zu durchdenken. Insofern kennen nur sie das „Material“, mit dem sie arbeiten, und sie allein entscheiden über die Auswahl und Verwertung der autobiographischen Details während der Reflexion bzw. in der Plenumsphase.
2. Die Lernenden vergleichen ihre Ergebnisse
Die Lehrperson bittet die Lernenden, als Nächstes aus ihren Ergebnissen ein oder zwei Beispiele nach folgenden Gesichtspunkten auszuwählen:
Welche Entscheidung war für meinen Lebensweg von besonderer Bedeutung?
Bin ich bereit, diese Information in der Klasse vorstellen?
Wenn diese Fragen geklärt sind, erhalten die Lernenden je zwei Blätter im A6-Karteikartenformat und Flipchartstifte. In r Schrift notieren sie einige Stichwörter auf jedes Blatt. Die Einträge sind anonym; eventuell könnte aber das Geschlecht mit „m“ bzw. „w“ angegeben werden.
Mit „Ich:“ verweisen sie auf sich selbst, mit „Mutter“, „Freund“ usw. auf andere Personen, die die betreffende Entscheidung getroffen haben; dazu vermerken sie mit Bleistift die Jahreszahl.
Die Lernenden stellen eine „Landkarte“ biographischer Weichenstellungen her.
Die ausgefüllten Blätter werden mit der Schriftseite nach unten hingelegt. Ein Team von vier Schülerinnen und Schülern sammelt die Blätter ein und klebt sie auf einen Flipchartbogen (‚Poster‘). Sie beachten die Hinweise auf die entscheidenden Subjekte – „Ich“ / „Andere“ etc. sowie die Jahreszahl.
Die übrigen Schülerinnen und Schüler stehen und oder sitzen im Halbkreis vor dem Poster. Ein Mitglied des Teams verliest die Einträge und schlägt vor, wo der neue Eintrag zu platzieren sei. Auf diese Weise ist die Klasse in die Entstehung des Gesamtbildes einbezogen. Falls sich Einträge wie-derholen – z.B. „Ich: Wunsch nach höherer Schulbildung“ – entscheiden die Lernenden mit, ob ein Eintrag für mehrere stehen kann und die Anzahl gleichlautender Beiträge vermerkt wird (z.B. „4x“).
3. Die Lernenden werten das Gesamtergebnis aus
Analyse (z.B. Vergleiche, Auffälligkeiten, wiederkehrende Muster)
Das Material, das jetzt entstanden ist, ist für alle neu und dürfte seine eigene Impulswirkung entfalten. Die Aufgabe der Lehrperson besteht darin, die Diskussion und Analyse durch Moderation und, wo nötig, durch Hilfen zur Stukturierung und Abstraktion zu unterstützen. Bereits während der Präsentation überlegt die Lehrperson, wie sich das entstehende Material deuten lässt. Diese Sequenz ist ein gutes Beispiel dafür, dass in Lernprozessen der „tatsächliche Weg sich erst im Gehen (ergibt)“ (Sloane 1999; 52), also nicht vorher am Schreibtisch planbar ist.
Wichtig ist, dass die Lehrperson in der Moderation und Interpretation der Schülerbeiträge behutsam vorgeht, um die Gefühle der Lernenden nicht zu verletzen.
Hypothesen treten in der Vorbereitung an die Stelle fixer Unterrichtspläne
Freilich kann die Lehrperson mit gewissen Vermutungen in die Sequenz gehen, welche Grundmuster sich ergeben könnten. Diese hypothetischen Vorüberlegungen erleichtern es ihr, flexibel zu improvisieren. Beispiele für solche Hypothesen:
(1) Mit zunehmendem Alter wächst die Autonomie des jungen Menschen. D.h., dass es im Säuglings- und Kleinkindalter vorab andere Menschen (Eltern, Familie, Ärzte, Erzieherinnen usw.) sind, die durch ihre Entscheidungen in das Leben des Kindes eingreifen und es regulieren. Im Kindes- und Jugendalter wächst der Wille, selbst (mit-) zu entscheiden. Auf dem Poster könnte sich dieses Muster in zwei Clustern bzw. in der folgenden Weise abbilden:
Die Autonomie eines Menschen nimmt im Jugend- und Erwachsenenalter zu. Die Lehrperson kann damit rechnen, dass die Lernenden diese Tendenz auch im Poster zum Ausdruck bringen.
(2) „Ich verdanke es meinen Eltern, dass ich auf der Welt bin.“ Dieser elementare Sachverhalt steht am Anfang unser aller Lebensgeschichten. Unsere Identität wurzelt in unseren Familien.
(3) Die Freiheit der Einzelnen bringt Pluralismus hervor. Die Lernenden verkörpern die moderne pluralistische Gesellschaft im Kleinen. Sie nehmen die Freiheit der Person wahr, indem sie ihre Identität durch ihre Entscheidungen ausgestalten.