Sequenz 3: Was ist möglich, um das Dilemma beim Handy-Kauf zu lösen?

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Arbeitsgruppen entwerfen Impulsreferate

Die folgende Übersicht unterstützt die Lehrperson bei der Planung und Durchführung der Sequenz.
Kompetenztraining benennt die Kompetenzen, welche die Lernenden in dieser Sequenz trainieren (Analyse-, Urteils-, Handlungs- und Methodenkompetenzen).
Das Erkenntnisziel beschreibt die inhaltlichkognitive Dimension des Lernertrags.
Aufgaben und Methoden dienen der Gestaltung des Lernprozesses.
Medien und Hilfsmittel bieten eine Checkliste für die technischorganisatorische Vorbereitung.
Die Richtwerte zum Zeitbudget unterstützen das Zeitmanagement.
Erkenntnisziel
Kompetenztraining

Die Lernenden unterscheiden zwischen der Mikro- und Makroebene verantwortlichen Handelns.

Selbstständiges Arbeiten im Kurzprojekt: Fragestellungen sammeln, ordnen und strukturieren, auswählen, arbeitsteilig bearbeiten, präsentieren.

Informationsbeschaffung, Verarbeitung, Transfer: Die Lernenden beherrschen bewusst die Phasen eines Lernprozesses.

Methodenkompetenz: Impulsreferat

Aufgaben Die Lernenden

– entwickeln die Fragestellungen ihres Kurzprojekts;
– planen ihren Arbeitsprozess

Medien und Hilfsmittel „Tipps für nachhaltigen Konsum“ (Handy-Aktion 2021)
Methoden

Plenumsgespräch

Planungsgespräch

Aufgabeninstruktion und differenzierte Hilfestellungen der Lehrperson

Zeitbudget (Min. ca.) Entwicklung der Fragestellungen für das Kurzprojekt. (30 Min)
Planungsgespräch (10 Min)
Einstieg in die Gruppenarbeit (optional) (10 Min)

 Vorbemerkung

Arbeitsteilige Gruppenarbeit birgt ein Problem: Die Darbietung der frisch erworbenen Gruppenexpertise reicht in der Regel nicht aus, dass alle Lernenden die Materie erfassen und durchdringen. Am Ende der Sequenz haben die Gruppen ihre Teilexpertisen gefestigt, die Gesamtexpertise bleibt der Lehrperson vorbehalten. Die Synthese und Integration der Teilbeiträge sind dann misslungen.

Um dieses Problem zu lösen, hilft es, sich das Drei-Phasenmodell eines Lernprozesses heranzuziehen: Wie findet Lernen statt? (siehe https://www.living-democracy.com/de/textbooks/volume-1/part-2/unit-4/chapter-2/lesson-1-2/)

Die Gruppen durchlaufen die drei Phasen in diesem Modell eines Lernprozesses: Information – Ver-arbeitung – Transfer. Der Transfer – die Impulsreferate im Plenum – unterstützen die Klasse, die Gruppenbeiträge zu gemeinsam zu verarbeiten (4. Sequenz) und ihre Schlüsse daraus zu ziehen (Transfer, 5. Sequenz). Im Plenum vollzieht die Klasse auf diese Weise die drei Phasen eines Lernprozesses gemeinsam und erarbeitet sich ihr Verständnis des Gegenstands, indem alle voneinander und miteinander lernen. Um das Kompetenzziel einzulösen, dass die Lernenden die drei Phasen eines Lernprozesses bewusst beherrschen, muss die Lehrperson die Funktion der Aufgabenstellung den Lernenden erklären. Das dient nicht nur ihr Kompetenzentwicklung, sondern auch einer demokratischen Unterrichtskultur (siehe https://www.living-democracy.com/de/textbooks/volume-1/part-2/unit-1/chapter-2/lesson-7/)

Einstieg

Die Lernenden gestalten den Einstieg so selbstständig wie möglich, und sie trainieren dabei ihre Kompetenz, eigenständig im Projekt zu arbeiten. Die Lehrperson moderiert das Verfahren oder überträgt diese Aufgabe an zwei Lernende, die arbeitsteilig die Beiträge strukturieren und die Rednerliste führen.

Die Lernenden greifen ihre Fragen und Ideen, die sie, angeregt durch das Impulsreferat der Lehrperson, in der dritten Sequenz entwickelt haben. Ggf. mit der Unterstützung der Lehrperson stellen sie fest, dass sich ihre Fragen unter zwei Aspekten bündeln können:

  1. Persönliche Verantwortung: Was kann ich tun? Welche Spielräume und Entscheidungsoptionen stehen mir offen? (Mikroebene)
  2. Politische Lösung: Was ist politisch möglich, um die Gewaltakteure in der DRK zu stoppen und den Kleinbergbau zu befrieden, sozial gerecht und ökologisch nachhaltig zu gestalten? (Makroebene)

Die beiden Fragerichtungen schließen sich nicht aus, und die Präferenz für eine von beiden lässt sich mit verschiedenen Argumenten begründen, z.B.: Ich muss heute handeln und kann nicht auf den Sankt-Nimmerleinstag warten, bis eine politische Lösung greift – oder auch nicht. Oder: Wir müssen wissen, ob uns die Politik das Dilemma abnimmt, wenn sie die Unternehmen zur Sorgfalt im Lieferketten-Management verpflichtet.

Die Lehrperson kann das folgende Modell der Handy-Aktion (2021) „Tipps für nachhaltigen Konsum“ einführen, das die Mikro- und Makroeben ausdifferenziert:

Rethink

Reflektiere dein eigenes Konsumverhalten und überlege, ob du wirklich immer das allerneueste Smartphone brauchst.

Reuse

Benutze dein Smartphone möglichst lange, um Ressourcen zu schonen. Du brauchst ein neues Handy? Es gibt viele Möglichkeiten, auch ein gutes gebrauchtes Gerät zu kaufen.

Repair

Pflege und repariere dein Handy, bevor du dir ein neues oder gebrauchtes kaufst.

Recycle

Hole deine alten und nicht mehr funktionsfähigen Handys und Smartphones aus der Schublade und führe sie einem geordneten Recycling zu, z.B. durch die Sammelstationen der Handy-Aktion (…)

Reform

Setze dich für politische und gesetzliche Rahmenbedingungen für eine nachhaltige und faire Produktion von IT-Geräten und eine global gerechte Rohstoffpolitik ein oder unterstütze Kampagnen, die diese einfordern.

React

Schließe Dich Initiativen an, die auf die Probleme aufmerksam machen oder organisiere selbst eine Aktion.

Die Lernenden ordnen, die „sechs Rs“ der Mikro- bzw. der Makro-Ebene zu: Was kann ich tun? – Was ist politisch möglich?

Was ist möglich, um das Dilemma beim Handy-Kauf zu lösen?
Was kann ich tun? Was ist politisch möglich?
Rethink
Reuse
Repair
Recycle
Reform
React

Die Lernenden ordnen ihre Fragen den „sechs Rs“ zu und entwickeln ggf. weitere Fragen. Ihre Fragen müssen nicht alle sechs R-Begriffe abdecken, jedoch sollten sie die Mikro- und die Makro-Ebene berücksichtigen. Die Lernenden wissen bereits einiges über die Situation in der DRK und können daher unter „Reform“ nach den Möglichkeiten fragen, das Problem der Konfliktmineralien an der Wurzel zu packen – im Sinne einer „global gerechten Rohstoffpolitik“, wie es im Modell der Handy-Aktion heißt. Ihre Fragen zur Möglichkeitserörterung könnten lauten wie folgt:

Was ist möglich, um das Dilemma beim Handy-Kauf zu lösen?
1. Was kann ich tun?
(Individuelle Verantwortung)
2. Was ist politisch möglich?
(gemeinsame Verantwortung)
Fragen zur Analyse Arbeitsgruppen-Mitglieder Fragen zur Analyse Arbeitsgruppen-Mitglieder

Rethink

1.1 Enthalten herkömmliche Handys, z.B. von Apple, noch Konfliktmineralien?

1.2 Ist ein „faires“ Handy frei von Konfliktmineralien?

Reform

2.1 Weshalb kann die DRK nicht ihr Territorium kontrollieren? (Das Problem des schwachen Staates)

2.2 Welche Möglichkeiten bestehen, um die Konfliktursachen in der DRK zu überwinden, und welche werden genutzt?

Repair

1.3 Welche Reparaturen sind bei Handys möglich?

React

2.3 Was können Bürger und Bürgerinnen tun, um politische und unternehmerische Entscheidungen zu beeinflussen? (Teilhaben in der Demokratie)

Die Lernenden wählen die Fragestellung, die sie bearbeiten wollen und bilden Kleingruppen (2 – 4 Mitglieder). Die Namen der Lernenden werden in die Übersicht eingetragen.

Die Lehrperson weist die Lernenden darauf hin, dass sie Möglichkeiten untersuchen, wie sie Verantwortung übernehmen können und so ihre Handy-Dilemma lösen können. Sie liefern ein Impulsreferat, das individuelle oder gemeinsame Handlungsmöglichkeiten skizziert, jedoch die Frage offenlässt, ob oder wer von diesen Möglichkeiten Gebrauch macht.

Die Lehrperson stellt der Klasse das Dreiphasenmodell eines Lernprozesses vor und ordnet den Phasen die Arbeitsschritte der Gruppenarbeit zu (siehe den folgenden Abschnitt), um die Funktion der Arbeitsschritte im Lernprozess plausibel zu machen (vgl. die Vorbemerkung zu dieser Sequenz).

Die Gruppen einigen sich mit der Lehrperson über den Zeitrahmen für ihre Gruppenarbeit.

Gruppenarbeit

Falls die Lernenden wenig erfahren in der Selbstorganisation ihrer Lern- und Arbeitsprozesse besitzen, gibt ihnen die Lehrperson entsprechende Hilfestellung. Dazu kann z.B. eine Einführung zur Quellenkritik bei der online-Recherche gehören (vgl. dazu Einheit 9, Handout 9.2), eine Liste hilfreicher Links und Literatur (vgl. Handout für Lernende 2.3, evtl. gekürzt bzw. aktualisiert) sowie die Bereitstellung von Fachliteratur. Die Lehrperson kann auch Vorschläge für die ersten Arbeitsschritte machen.

Die Gruppen können in einem ersten Schritt versuchen mit ihren Vorkenntnissen und verfügbaren Informationen ihre Fragestellung vorläufig zu beantworten. Sie stellen fest, welche Informations- und Verständnislücken sie bearbeiten wollen und einigen sich ggf. auf ein arbeitsteiliges Vorgehen, d.h. die Gruppenmitglieder verfolgen unterschiedliche Fragestellungen

  • Informationsbeschaffung: Über Onlinerecherche oder die Auswertung von Fachliteratur beschaffen die Lernenden die Informationen, die sie zur Bearbeitung ihrer Fragen benötigen.
  • Informationsverarbeitung: Die Lernenden tauschen ihre Ergebnisse aus entwickeln gemeinsam die Thesen für die Präsentation und bestimmen die offenen Fragen, die sie nicht klären konnten.
  • Transfer: Die arbeiten ihre Präsentation aus, entwerfen das Handout und bestimmen einen oder mehrere Sprecher oder Sprecherinnen.

Die Lehrperson entscheidet, ob und in welchem Umfang sie Hilfestellung geben will, z.B.:

  • Gezielte Lese- und Recherchetipps;
  • knapper Lehrerinput auf Abruf, z.B. falls die Lernenden den Autor oder die Autorin einer Online-Nachricht nicht kennen (vgl. Handout 9.2, Abschnitt 2);
  • Denkanstöße.

Die Lehrperson kann ihren Spielraum nutzen, um nach ihrem didaktischen Ermessen Binnendifferenzierung bei den Anforderungen an die Lernenden herzustellen. In keinem Fall sollte sie Lösungen (z.B. ausformulierte Thesen) anbieten, sondern sich stets auf Hilfestellungen (Impulse, einzelne Abkürzungen) beschränken, um die Lernchancen zu erhalten, die für die Schüler und Schülerinnen in der Problemlösung liegen.

Präsentationen der Lernenden

Die Beiträge der Lernenden könnten lauten wie folgt:

1. Was kann ich tun, um das Dilemma beim Handy-Kauf zu lösen? (Individuelle Verantwortung)

1.1 Enthalten herkömmliche Handys, z.B. von Apple, noch Konfliktmineralien?
  1. Apple-Produkte können Konfliktmineralien enthalten.
    Trotz aller Bemühungen kann Apple 2020 nicht mit Sicherheit ausschließen, dass Apple-Produkte Konfliktmineralien enthalten: „Apple does not have sufficient information to conclusively determine the countries of origin of the 3TG in all of its products.“ (Apple (2020: 10)
  2. Apple will bis 2030 keine 3TG-Mineralien aus der DRK mehr verwenden.
    Apple intensiviert seine Anstrengungen, alle Zulieferer im upstream-Bereich zur Sorgfalt zu verpflichten (vgl. ebd.), doch Apple verfolgt offensichtlich zugleich die Strategie, sich durch Kreislauflieferketten vom Kleinbergbau in der DRK unabhängig zu machen. Bis 2030 sollen 3TG-Materialien zu 100% recycelt werden (Apple 2021: 33).
  3. Apples Recycling-Strategie wird in Frage gestellt.
    iFIXIT (2021b) stellt diese Recycling-Strategie in Frage: Von den über 30 Metallen, die in einem Handy verbaut sind, behält weniger als die Hälfte beim Recycling die Eigenschaften, die technisch erforderlich sind für die Wiederverwendung. Die Lösung liege vielmehr darin, die Lebensdauer der Geräte durch einfache Reparaturen zu verlängern.
  4. IFIXIT wirft Apple vor, Reparaturen seiner Geräte zu erschweren.
    Apple gibt ferner an, neue Produkte reparaturfreundlicher zu gestalten, um die Lebensdauer der Geräte zu verlängern (ebd., 41). Auch hier gab es Widerspruch: Apple erschwere nicht zertifizierten Werkstätten, Reparaturen durchzuführen (iFIXIT (2021a).
1.2 Ist ein „faires“ Handy frei von Konfliktmineralien?

Die Gruppe konzentriert sich auf die Firma Fairphone, die bereits einige Jahre auf dem Markt präsent ist. Auf weitere Hersteller, wie Shiftphone (2021) oder 10yearphone (2021) geht die Gruppe nicht weiter ein.

  1. Fairphone-Produkte mit längerer Lebensdauer seien nachhaltiger.
    Fairphone sagt, die Modulbauweise seiner Handys unterstütze den einfachen Austausch einzelner Teile und die Reparatur der Telefone.
  2. Recycling und Kreislaufwirtschaft sind Grenzen gesetzt.
    Die Recyclingquote des Elektroschrotts beträgt nur 17%, so dass die Handyhersteller dem Kleinbergbau nicht den Rücken kehren können – und auch nicht sollten.
  3. Fairphone will seine Handys fairer machen.
    Fairphone arbeitet daran, fairere, recycelte und verantwortlich gehandelte Materialien“ zu verwenden und für faire Arbeitsbedingungen bei Partnerunternehmen, insb. im Kleinbergbau, z.B. in der DRK zu sorgen.
    Um 3TG-Mineralien fairer zu machen, verwendet Fairphone als erste Handyhersteller ausschließlich von Fairtrade zertifiziertes Gold und bezieht Zinn aus konfliktfreien Minen in der DRK.
  4. Fairphone verfolgt ein ganzheitliches Konzept von Fairness.
    Fairphone spricht stets davon, seine Produkte fairer zu machen, sieht sich also auf dem richtigen Weg, jedoch noch lange nicht am Ziel. Fairphone versteht Fairness in einem ganzheitlichen Sinn: Es geht um mehr als „nur“ den Kleinbergbau dem Einfluss bewaffneter Gruppen zu entziehen. Es geht auch um faire Arbeitsbedingungen für Bergleute, um ihre Ausbildung, um besseres Werkzeug – und um den Umweltschutz (vgl. Fairphone 2021a 2021c).
1.3 Welche Reparaturen sind bei Handys möglich?

Die Initiative iFIXIT hat sich zum Ziel gesetzt, die Lebensdauer von Handys zu verlängern. Der Name ist Programm: Handys leben länger, indem man sie repariert.

  1. Der Nutzen des Recyclings ist begrenzt.
    Zwischen 20% und 35% des Materials in einem Telefon gehen verloren, wenn es zerkleinert und für das Recycling eingeschmolzen wird. 17 seltene Erdmetalle sind in jedem elektronischen Gerät verbaut. 99% davon können nicht durch Recycling wieder gewonnen werden. Kein Telefon kann zu 100% aus Recycling-Material hergestellt werden. (iFIXIT 2021b).
  2. Reparaturen verlängern die Lebensdauer eines Handys.
    Die Reparatur der vorhandenen Geräte ist daher unser wirksamstes Mittel, etwas zur Nachhaltigkeit der Smartphones beizutragen. Es geht also um die Frage, wie leicht sich Bauteile in Smartphones austauschen oder reparieren lassen.
  3. Ein Reparatur-Ranking der Smartphone-Modelle schafft Transparenz.
    iFIXIT (2021a) vergleicht die Reparierbarkeit der aktuellen und älteren Modelle bei Smartphones, Tablets und Laptops und bewertet sie auf einer Punkteskala von 1 – 10. Das Fairphone 3 (2019) erhält 10 Punkte, das Shiftphone 9. Apple- und Samsung-Modellen bewegen sich im mittleren Bereich.
    Bei den neueren Apple-Modellen ist eine Tendenz zu erkennen, die Reparatur durch freie, nicht von Apple autorisierte Werkstätten zu erschweren.
  4. Reparatur-Initiativen sind online leicht zu finden.
    Wer sich für Reparaturmöglichkeiten interessiert, kann sich z.B. bei iFIXIT (https://de.ifixit.com/), Repair Cafés (https://repaircafe.org/de/) oder beim Netzwerk https://www.reparatur-initiativen.de/ informieren (Abruf der Links am 11.11.2021).

2. Was ist politisch möglich, um das Dilemma beim Handy-Kauf zu lösen?

2.1 Weshalb kann die DRK nicht ihr Territorium kontrollieren?
  1. Die Demokratische Republik Kongo ist ein „fragiler Staat.“
    Das bedeutet, die DRK ist nicht in der Lage, ihr Territorium zu kontrollieren und die grundlegenden Funktionen eines Staates zu erfüllen Gewährleistung von Sicherheit nach innen und außen, Legitimität der politischen Prozesse (Rechtsstaatlichkeit, Gewaltenteilung), Sicherung elementarer Wohlfahrt für die gesamte Bevölkerung (einschl. u.a. Bildung und Umweltschutz), Fähigkeit zur Durchsetzung von Gehorsam gegenüber den Gesetzen und Rechtsgrundsätzen, z.B. Menschen- und Kinderrechte) (vgl. Hirschmann 2016: 22, 179 – 183).
  2. Die DRK hat keine demokratische Tradition.
    Sie wurde seit der Kolonialzeit autoritär regiert, und nach der Befreiung aus der Kolonialherrschaft folgten Diktatoren: Mobutu, Laurent und Joseph Kabila. Ob es dem 2018 gewählten Präsidenten Tschikesedi gelingt, sich vom Einfluss Joseph Kabilas zu lösen und demokratische und soziale Reformen durchzusetzen, ist offen (vgl. Ansorg 2020).
  3. Die DRK ist ein „konstruierter Staat“, mit dem sich die Menschen nie identifiziert haben.
    Auf der Berliner Konferenz (1885) wurden die Grenzen der Kolonien auf der Karte des afrikanischen Kontinents mit dem Lineal gezogen (vgl. Reinhardt 2021: 949), und sie gelten bis heute. Die Kolonialmächte nahmen keinerlei Rücksicht auf historische und kulturelle Traditionen, die Verbreitung von Sprachen oder die ethnische Zugehörigkeit der Menschen. Die Einwohner bildeten keine Nation, so dass ihnen der Staat fremd blieb (vgl. Hirschmann 2016: 32 f.). Die Menschen bestimmte ihre Identität über ihre ethnische Zugehörigkeit. „Ethnische Konflikte gehören in Afrika zum politischen Alltag, bis hin zum Bürgerkrieg oder gar zum Völkermord wie in Rwanda.“ (Reinhardt 2012: 1285; vgl. Hirschmann 2016: 34).
    4. Für die DRK ist reich an Bodenschätzen.
    Die DRK ist reich an wertvollen und begehrten Bodenschätzen: Kobalt, Zinn, Kupfer, Diamanten, Gold – und Koltan/Tantal. 65% der Koltan- bzw. Tantalvorkommen in der Welt konzentrieren sich in Provinz Kivu im Osten der DRK. Tantal ist unentbehrlich für die Produktion von Elektrogeräten, z.B. Handys und Computer (vgl. Hirschmann 2016:
    5. Dieser Reichtum hat sich als Fluch erwiesen.
    Schon der belgische König Leopold II beutete die Reichtümer des Kongo rücksichtslos aus, um sich zu bereichern und Brüssel mit Prachtbauten auszustatten. Die Diktatoren, die ab den 1960er Jahren herrschten, sicherten sich die Erlöse aus dem Bergbau, ebenfalls um sich zu bereichern und um ihre Macht zu sichern (vgl. ebd.). Seit dem Ende des Kalten Krieges kontrollieren auch bewaffnete Gruppen einen Teil der Minen, um ihre Kriege zu finanzieren. Sie schaffen die Mineralien über die Grenze und verkaufen sie an Zwischenhändler, die sie wiederum am Schmelzbetriebe verkaufen. Sobald die Mineralien eingeschmolzen sind, ist ihre Herkunft nicht mehr nachzuprüfen. Das erschwert die Kontrolle der Lieferketten im Upstream-Bereich.
    6. Bewaffnete Gruppen profitieren von einer Kriegswirtschaft.
    Bei diesen Gruppen handelt sich um organisierte Kriminalität, Rebellengruppen oder Teile der Sicherheitskräfte. Sie finanzieren sich durch die Erlöse des Mineralienhandels sowie die Ausbeutung der Bevölkerung. Kinder werden zur Minenarbeit gezwungen oder als Soldaten rekrutiert. Der Raubbau an den Bodenschätzen geht mit massiven Umweltzerstörungen einher. Die Kriegswirtschaft wird zu einer permanenten Wirtschafts- und Lebensform (vgl. Münkler 2002:159 ff., Münkler 2003; Hirschmann 2016: 52 ff.,179 ff.).
2.2 Welche Möglichkeiten bestehen, um die Konfliktursachen in der DRK zu überwinden, und welche werden genutzt?
Genutzte Möglichkeiten
  1. Gesetze schreiben die Sorgfaltspflicht in Handy-Lieferketten vor.
    Das Dodd-Frank Gesetz in den USA ist seit Juli 2010 in Kraft, die die EU-Verordnung 2017/821 seit Anfang 2021 (vgl. DIHK (2021), Manhart (2013)). Lieferkettengesetze auf nationaler Ebene, z.B. in Deutschland, kommen hinzu. Alle diese Gesetze orientierten sich an den „Due Diligence“-Richtlinien der OECD (2021). Die Sorgfaltspflicht bedeutet, dass Unternehmen, die Handys in den USA oder der EU auf den Markt bringen, öffentlich berichten müssen, woher sie ihre 3TG-Mineralien beziehen (vgl. z.B. Apple 2021a). Die Unternehmen müssen jedoch nicht für etwaige Verstöße gegen Menschenrechte oder Umweltstandards haften – das war in der Eidgenössi-schen Volksinitiative (2020) vorgesehen, die in der Volksabstimmung am 29.11.2020 abgelehnt wurde.
  2. Handy-Hersteller sollen wenigstens in einem Teil der Minen in der DRK für Frieden sorgen.
    Die OECD-Richtlinien erlegen den Unternehmen die Sorgfaltspflicht auf: sie sind dafür verantwortlich, dass in ihren Lieferketten keine 3TG-Mineralien verwendet werden, von denen Gewaltakteure in der DRK profitiert haben. Dieser Ansatz des „Due Diligence“ soll bewirken, dass nichtstaatliche Akteure, nämlich Unternehmen, in den Bergbauregionen befriedete Zonen schaffen, in denen faire Arbeitsbedingungen in den Minen und Umweltschutz durchgesetzt werden können.
  3. Eine deutsche Behörde arbeitet mit der kongolesischen Regierung zusammen.
    Die BGR [Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe] (2021a, 2021b) verfolgt den Ansatz, bilateral mit der kongolesischen Regierung zusammen zu arbeiten, um Lieferketten zu zertifizieren. Das Projekt läuft seit 2009 und verfolgte zunächst das Ziel, 3TG-Mineralien durch ein Zertifizierungssystem zu erfassen. Ein Zertifizierungshandbuch wurde 2011 per Gesetz autorisiert. Die Mitarbeiter der Bergbaubehörde erhielten Fortbildungen. Schritt für Schritt wurden mehr Minen und weitere Mineralien in das Zertifizierungsverfahren einbezogen. Die Bergbau-Beschäftigten wurden registriert, ihre Arbeitsbedingungen verbessert. Seit 2018 orientiert sich das Zertifizierungsverfahren an den OECD-Standards und dem neuen kongolesischen Bergbaugesetz. Ein neues Handbuch zur Zertifizierung erschien 2019. Die Verantwortung für die Steuerung der Lieferkettenzertifizierung soll an die Regierung der DRK übergehen.
  4. Eine deutsche Behörde versucht den schwachen Staat zu stärken.
    Die BGR versucht, den „schwachen Staat“ in der DRK zu stärken und eine funktionierende Verwaltung zu etablieren, die rechtsstaatlichen und internationalen Standards des Menschenrechts- und Umweltschutzes gerecht wird. Sie löst damit einen Teil der Forderungen Manharts (2013: Folie 11+12) ein. Dieser hatte vorgeschlagen, das Konfliktpotenzial in der DRK durch einen „Dia-logprozess“ und eine „umfassende Strategie für den Kongo“, zu überwinden. An diesem Dialog müssten sich zusätzlich zu Entscheidungsträgern aus dem Kongo und der EU auch die Nachbarländer der DRK, die International Conference on the Great Lakes Region (ICGLR), die Industrie sowie zivilgesellschaftliche Gruppen beteiligen. Der Dialog müsste zu verbindlichen Verpflichtungen für die Beteiligten führen, also Gesetzen wie im Zertifizierungsprojekt, oder Verträgen.
  5. UN-Blauhelme sind in der DRK präsent.
    Die MONUC ist seit 1999 in der DRK präsent. Der UN-Sicherheitsrat hat ihr Mandat mehrfach verlängert. Seit 2013 wurde die UN-Mission in MONUSCO umbenannt, und erhielt einen erweiterten „robusten“ Auftrag erweitert, ggf. auch mit militärischer Gewalt gegen Rebellengruppen vorzugehen (Ansorg 2020). Die Regierung Tschikesedi ist bereit, eng mit MONUSCO zusammenzuarbeiten – der größten UN-Truppe zur Friedenssicherung weltweit.
  6. Rebellenführer werden als Kriegsverbrecher vor Gericht gestellt.
    Drei Verfahren wurden vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag eröffnet. Die Rebellenführer Jean Pierre Bemba und Thomas Lubanga wurden zu 18 bzw. 14 Jahren Haft verurteilt (Ansorg 2020).
Nicht genutzte Möglichkeiten
  1.  Grenzen neu ziehen, einen Bundesstaat einführen, mit den Grenzstaaten kooperieren.
    Lösbar wären die grenzübergreifenden ethnischen Konflikte nur, wenn die Zentralregierung in der DRK abgelöst würde durch eine föderale Struktur – die den Regionen teilweise Autonomie zugesteht – oder eine Föderation der DRK mit den Grenzstaaten, um die Auswirkungen der kolonialen Grenzziehung zu korrigieren. Beides ist nicht in Sicht (vgl. Hirschmann 2016: 182).
  2. Gegen Menschenrechtsverletzungen in der DRK intervenieren.
    Verantwortung der internationalen Gemeinschaft für Demokratie und Menschenrechte (Respon-sibility to Protect – R2P). Die UN-Vollversammlung beschloss diese Norm 2005. Die Genozide in den Balkankriegen (1992 – 1999) und in Ruanda (1994) gaben den Anstoß, dass die internationale Gemeinschaft nie wieder wegsehen dürfe, wenn der Staat eines Landes die Menschenrechte der Bürgerinnen und Bürger nicht schützt, sondern massiv verletzt. Nicht nur Kriege zwischen Staaten, sondern auch innerhalb eines Staates können nun durch die Intervention der internationalen Gemeinschaft beendet werden. Auch militärische Gewalt ist nach der UN-Charta Kap. VII möglich. Eine R2P-Intervention erfordert ein Mandat des UN-Sicherheitsrats. Vgl. dazu UN (2021), Global Centre for the Responsibility to Protect (2021).
2.3 Was können Bürger und Bürgerinnen tun, um politische und unternehmerische Entscheidungen zu beeinflussen? (Teilhaben in der Demokratie)
  1. Wir müssen an die Öffentlichkeit gehen, wenn wir etwas bewegen wollen.
    Teilhaben in der Demokratie bedeutet, sich in der Öffentlichkeit für eine Forderung Gehör zu verschaffen. Diese Forderungen können sich an politische Entscheidungsträger, jedoch auch an Unternehmen richten. Dazu müssen wir uns mit Gleichgesinnten zusammenschließen, z.B. in einem zivilgesellschaftlichen Netzwerk (s.o.), in einer politischen Partei, einer Wir verfügen über individuelle Spielräume. Die Handy-Aktion (2021) fasst in ihren Tipps für nachhaltigen Konsum zusammen, was jeder von uns tun kann in unserer persönlichen Lebensgestaltung und in gemeinsamen Aktionen und Engagements mit Anderen.
  2. Wir verfügen über individuelle Spielräume in unseren Alltagsentscheidungen.
    Rethink – Reuse – Repair zeigen, dass wir sehr wohl über Individuelle Handlungsmöglichkeiten verfügen. Unsere Kaufentscheidungen und Präferenzen senden Signale auf dem Markt, die von Unternehmen registriert werden und ihre künftige Planung beeinflussen können. Um sich zu informieren, bieten sich zivilgesellschaftliche Netzwerke, die sich online finden lassen.
  3. Wir können uns schnell und umfassend informieren.
    Wer verantwortlich handeln will als Käuferin oder Nutzer, muss sich rasch orientieren können. Das ist z.B. möglich mit „Der Runde Tisch Reparatur“ (2021), der ein Netzwerk von Reparaturinitiativen vertritt und sich für das „Recht auf Reparatur“ einsetzt. Siehe auch das Netzwerk Reparatur-Initiativen (2021)).
  4. Wir können uns Netzwerken anschließen.
    Zu “Reform“ und „React“: Es besteht ein Netzwerk von Organisationen und Initiativen, die sich ein strenges – bzw. strengeres – Lieferkettengesetz in Deutschland bzw. der EU oder der Schweiz einsetzen. Die Initiative Lieferkettengesetz (2021a) z.B. hat sich an der jahrelangen Diskussion um ein Lieferkettengesetz beteiligt und dazu beigetragen, das Problem der Menschenrechtsverletzungen und der Umweltzerstörung auf die politische Agenda zu setzen. Wir können uns einer solchen Initiative anschließen und die Umsetzung der Sorgfaltspflicht beobachten und ggf. kritisieren. Wir können uns einer gesellschaftlichen Bewegung anschließen (z.B. Fridays for Future) oder eine Initiative für einen Volksentscheid unterstützen (vgl. die Eidgenössische Volksinitiative „Für verantwortungsvolle Unternehmen – zum Schutz von Mensch und Umwelt“ – die allerdings 2020 abgelehnt wurde.