Sequenz 4: Was ist möglich, um das Dilemma beim Handy-Kauf zu lösen?

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Möglichkeitserörterung: Diskussion und Urteilsbildung

Die folgende Übersicht unterstützt die Lehrperson bei der Planung und Durchführung der Sequenz.
Kompetenztraining benennt die Kompetenzen, welche die Lernenden in dieser Sequenz trainieren (Analyse-, Urteils-, Handlungs- und Methodenkompetenzen).
Das Erkenntnisziel beschreibt die inhaltlichkognitive Dimension des Lernertrags.
Aufgaben und Methoden dienen der Gestaltung des Lernprozesses.
Medien und Hilfsmittel bieten eine Checkliste für die technischorganisatorische Vorbereitung.
Die Richtwerte zum Zeitbudget unterstützen das Zeitmanagement.
Erkenntnisziel
Kompetenztraining

Wir verfügen über alternative Handlungsmöglichkeiten auf der Mikro- und Makroebene.

Die Lernenden können

– ein Impulsreferat halten;
– ein Impulsreferat verarbeiten

Aufgaben Die Lernenden

– präsentieren ihre Impulsreferate;
– verarbeiten die Impulsreferate in ihrer Urteilsbildung.

Medien und Hilfsmittel Thesenpapiere mit Quellennachweisen.
Methoden

Impulsreferate

Plenumsdiskussion

Zeitbudget (Min. ca.) Gruppenpräsentationen (Impulsreferate). (10 Min)
Diskussion (gemeinsame Verarbeitung). (20 Min)

1. Präsentationen der Lernenden

Die Klasse informiert sich mit Hilfe des Strukturierungs- und Planungsrasters über die Themen der Gruppenpräsentationen und ihre Einordnung in die Struktur der „Rs“.

Die Lehrperson skizziert den Verlauf der Sequenz: Im Anschluss an die Gruppenpräsentationen (Impulsreferate) diskutiert die Klasse, welche Schlüsse sie aus den Beiträgen zieht, z.B.; Bestätigen, ergänzen oder widersprechen sie einander? Bleiben noch offene Fragen? In der nachfolgenden Sequenz geht es um die Frage, welche Konsequenzen die Lernenden für ihre eigene Verantwortung ziehen.

2. Urteilsbildung (Diskussion)

Vorbemerkung

Im Sinne des Überwältigungsverbots des Beutelsbacher Konsens sind die Lernenden frei in ihrer Urteilsbildung. Sie stellen ihre Position zur Diskussion und erfahren Widerspruch oder Zustimmung. Sie werden herausgefordert, ihre Urteile zu begründen, indem sie die Wahl und Gewichtung der Urteilkriterien offenlegen. Auf diese Weise bietet die Diskussion ein Training der Urteils- und Argumentationskompetenz. Die Diskussion erfüllt im Dreiphasenmodell eines Lernprozesses die Funktion der Informationsverarbeitung (Rekonstruktion).

Es ist wichtig, zwischen Sach- und Werturteilen zu unterscheiden. Bei einem Sachurteil geht es z.B. um die Frage, unter welchen Aspekten die Inhalte der Beiträge sich verknüpfen lassen. Die Chance, sich auf eine Sicht zu einigen, ist höher als bei Werturteilen. Im Folgenden wird bei Sachurteilen eine mögliche, jedoch keinesfalls die einzig mögliche Einschätzung skizziert. Bei Werturteilen kann die Lehrperson sinnvoll erscheinende Kriterien sammeln; ihre Interpretation und Gewichtung ist Sache der einzelnen Lernenden, die sie zur Diskussion stellen können.

Falls die Lernenden Hilfestellung benötigen, zur Bildung eines Sachurteils die Beiträge zu reorganisieren, d.h. unter einer (oder mehreren) Fragestellungen zu verknüpfen, unterstützt sie die Lehrperson durch Impulse und Strukturierungshilfen

Verfahren

Die folgende Verfahrensbeschreibung geht von einer Lerngruppe aus, die auf Orientierung angewiesen ist. Bei Lerngruppen auf einem höheren Kompetenzniveau kann die Lehrperson das Scaffolding und Hilfestellungen reduzieren. Zur Orientierung ist es hilfreich, sie den Zusammenhang der Fragen zu vergegenwärtigen (vgl. Raster zur Strukturierung und Planung in Sequenz 3) sowie zur Reorganisation nach Aspekten zu suchen, unter denen sich die Beiträge verknüpfen lassen.

1. Was kann ich in meiner eigenen Verantwortung tun?

Aus den drei Beiträgen 1.1 – 1.3 geht hervor, dass wir uns der Folgen unserer Entscheidungen beim Kauf und der Nutzung eines Handys bewusst werden sollten:

  • Welche Anforderungen stelle ich an ein Handy?
  • Welches Handy wähle ich aus?
  • Wie lange will ich es benutzen?

Die erste Frage liefert die Kriterien für die Urteilsbildung:

  • Leistungsdaten und Nutzerverhalten
  • Preis
  • Reparaturmöglichkeiten
  • Nachhaltigkeit der Produktion
  • Transparenz der Lieferkette
  • Voraussichtliche Lebensdauer mit/ohne Reparaturen
  • Produkt- und Markenimage
  • (…)

Die Lernenden können sich darüber austauschen, wie sie diese Kriterien gewichten und zu welchen Entscheidungen sie gelangen. Das setzt voraus, dass sie bereit sind, einander die Freiheit zuzugestehen, Prioritäten zu setzen, mit denen sie nicht übereinstimmen. Niemand sollte die Deutungshoheit beanspruchen, was ökologisch oder sozial „korrekt“ bzw. fortschrittlich oder rückständig wäre. Bei gegenseitigem Respekt ist es sehr wohl möglich, die Prioritäten anders Denkender in Frage zu stellen und auf z.B. auf die Folgen für die Menschen im Upstream-Bereich der Lieferketten oder auf das Leistungsniveau eines bestimmten Geräts hinzuweisen.

2. Was ist politisch möglich? (Gruppenbeitrag 2.2)

Sachurteil: Was bewirken die bereits getroffenen Maßnahmen?

Die Diskussion der Lernenden könnte zu folgender Einschätzung gelangen:

Das Problem: Die DRK ist ein schwacher bzw. „fragiler“ Staat, der sein Territorium, ja sogar seine eigenen Sicherheitskräfte nicht vollständig kontrollieren.

Die Sorgfaltspflicht für Unternehmen und die bilaterale Kooperation des BGA mit dem Bergbauministerium der DRK bewirken, dass Zonen in den östlichen Bergbauregionen der DRK vom Einfluss bewaffneter Gruppen freigehalten werden können. Niemand, z.B. weder Apple noch die BGA, beansprucht, das Problem der Konfliktmineralien in der DRK beseitigen zu können.

Es scheint schwierig zu sein, den Upstream-Bereich der Handy-Lieferketten so zu kontrollieren, dass bewaffnete Gruppen sowie korrupter Politiker, Armee- und Polizeiangehöriger nicht mehr von der Handy-Produktion profitieren.

Die naheliegende Option, die DRK ganz zu meiden oder durch Recycling den Bedarf an frischen Rohstoffen zu senken, würde den Lebensunterhalt der Menschen gefährden, die in der DRK vom Kleinbergbau leben, nicht aber die Kriegswirtschaft beenden – die wäre z.B. auch mit Menschenhandel möglich. Daher sollten wir uns auch weiterhin die Mühe machen, uns auf das Problem der Konfliktmineralien in der DRK einzulassen – anstatt wegzusehen.

Die bilaterale Kooperation zwischen der BGA und der Regierung des DRK zeigt, dass Manharts (2013) Vorschlag eine Perspektive für die DRK bietet. Es würde sich daher lohnen, diesen Vorschlag auf die politische Agenda zu bringen und dafür zu werben.

Die Idee einer R2P-Intervention in der DRK erscheint problematisch. Zwar würde das Leid der Menschen im Dauerzustand eines innerstaatlichen Krieges niedriger Intensität eine solche Aktion rechtfertigen. Ob sie im UN-Sicherheitsrat die Zustimmung der Vetomächte erhalten würde, ist offen. Vor allem dürfte die potenziellen Akteure abschrecken, dass die Erfahrungen mit einem Regimesturz unkalkulierbar sind. Die Erfahrungen mit dem Sturz des Gaddafi-Regimes in Libyen (2011) haben z.B. gezeigt, dass die Beseitigung eines diktatorischen Regimes nicht zur Demokratisierung führt, sondern in einem Bürgerkrieg münden dürfte.

3. Was tun wir?

Sachurteil:

Der letzte Beitrag (2.3) hat gezeigt: Die Zivilgesellschaft bietet die Chance, die Dilemma-Erfahrung der vereinzelten Handykäufer und -Nutzerinnen zu einem gemeinsamen Problem zu machen, das sich gemeinsam besser lösen lässt. Es bestehen zivilgesellschaftliche Initiativen und Netzwerke mit verschiedenen Zielsetzungen, die unterschiedliche Handlungsmöglichkeiten eröffnen

Zum einen gibt es Netzwerkplattformen und Reparaturbetriebe, die sich darauf spezialisiert haben, die Lebensdauer der genutzten Geräte zu verlängern. Auf Rankinglisten und Ratgeberseiten können sich Interessierte über die Reparaturmöglichkeiten bei verschieden Fabrikaten informieren und ent-scheiden, ob sie dieses Ranking zum Auswahlkriterium beim Handykauf machen. Ähnlich wie die Beurteilungen z.B. der Stiftung Warentest senden derartige Rankings auch ein Signal an die Hersteller, die Erwartungen potenzieller Kunden zu berücksichtigen. Solche Netzwerke machen es möglich, unsere individuellen Entscheidungsgründe beim Kauf und der Nutzung eines Handys in die Öffentlichkeit zu bringen und zum Teil einer politischen Botschaft zu machen, die politische und unternehmerische Entscheidungsprozesse beeinflussen kann.

Zum anderen fokussieren Netzwerke auf die politische Regulierung der Lieferketten. Sie stellen Öffentlichkeit her und versuchen, Probleme wie Nachhaltigkeit, Klimaschutz und Konfliktmineralien auf die politische Agenda zu bringen. Die Frage, welchen Einfluss derartige Netzwerke real hatten bei den Entscheidungsprozessen, die zur EU-Richtlinie 2017/821 oder zum deutschen Lieferkettengesetz geführt haben, müssen wir offenlassen.