Einführung

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1.  Der Zweck dieses Handbuchs

Dieses Handbuch trägt den Titel „Demokratiebildung verstehen“. Es wendet sich Lehrpersonen und Praktiker im Bereich EDC/HRE – Lehrerbildnerinnen, Schulleiter, Schulaufsicht, sowie Autoren und –Herausgeberinnen von Lehrmitteln, ist also nicht für die Hand der Schülerinnen und Schüler konzipiert. Es konzentriert sich auf die Kernfragen von EDC/HRE, u.a. die folgenden:

  • Welche Kompetenzen benötigen Bürgerinnen und Bürger zur Teilhabe an Politik und Gesellschaft?
  • Welche Ziele verfolgt EDC/HRE?
  • Welche Prinzipien liegen EDC/HRE zu Grunde?
  • Was bedeuten die Basiskonzepte, die den Kern der EDC/HRE-Handbücher bilden?
  • Weshalb orientiert sich EDC/HRE an einem konstruktivistischen Lernbegriff?
  • Weshalb betont EDC/HRE einen ganzheitlichen Schulansatz?

Wie können Lehrpersonen die Lernprozesse ihrer Schülerinnen und Schüler in EDC/HRE vorbereiten, unterstützen und beurteilen?

Das vorliegende Handbuch bietet knappe Darstellungen und Handreichungen, um diese und weitere Fragen zu beantworten. Da dieser Band keine geschlossene Abhandlung zu EDC/HRE enthält, können Leserinnen und Leser die einzelnen Kapitel und Materialien selektiv nutzen.

In seiner inhaltlichen Ausrichtung unterscheidet sich dieses Handbuch von den anderen fünf Bänden der EDC/HRE-Reihe, deren Aufbau hier kurz skizziert werden soll: Die Bände II-IV beschreiben modellartig je neun Kurzprojekte von je vier Sequenzen (meist im Umfang von einer Unterrichtsstunde pro Sequenz). Die Unterrichtsprojekte in den drei Bänden sind inhaltlich durch neun ausgewählte Basiskonzepte verbunden, so dass diese ein Spiralcurriculum für EDC/HRE schaffen, das von der Primarstufe bis zur Sekundarstufe II reicht. Band V ist den Kinderrechten gewidmet. Er enthält Modellbeschreibungen von neun Kurzprojekten für Vorschulkinder im Kindergarten sowie die Klassenstufen 1 – 8. Band VI biete eine Sammlung von Modellen, Methoden und Übungen zur Gestaltung interaktiver und handlungsorientierter Lernprozesse in allen Altersstufen.

Der vorliegende Band I der EDC/HRE-Reihe bietet in Teil eine Einführung für Praktikerinnen in die Grundlagen von EDC/HRE. Teil 2 bietet Handreichungen zur Gestaltung, Förderung und Beurteilung konstruktivistischer Lernprozesse. Teil 3 zwei Methodenkoffer für Lehrpersonen sowie für Lernende. Die Nutzer werden feststellen, dass diese Handreichungen nicht nur EDC/HRE, sondern ebenso guten Unterricht im Allgemeinen unterstützen.

2. EDC/HRE: ein Überblick

Das Ziel von EDC/HRE besteht darin, Lernende zu befähigen und zu ermutigen, als junge Bürger eine aktive Rolle in der Gesellschaft und im politischen Gemeinwesen wahrzunehmen. Um an einem demokratischen Gemeinwesen teilzuhaben, benötigen die Jugendlichen ein breites Spektrum von Kompetenzen aufbauen. Dazu gehören Kenntnisse und Einsichten, technische und methodische Fertigkeiten sowie Werte und Einstellungen, z.B. Toleranz und Verantwortungsbewusstsein.

„Politische Bildung und Menschenrechtsbildung sind eng miteinander verbunden und unterstützen sich wechselseitig. Sie unterscheiden sich eher in Bezug auf Schwerpunkt und Geltungsbereich als in Zielsetzungen und Arbeitsweisen. Politische Bildung konzentriert sich vorrangig auf die demokratischen Rechte und Pflichten und aktive Partizipation im Hinblick auf die zivilgesellschaftlichen, politischen, sozialen, wirtschaftlichen, rechtlichen und kulturellen Bereiche der Gesellschaft, während sich die Menschenrechtsbildung mit dem breiteren Spektrum der Menschenrechte und Grundfreiheiten beschäftigt, die jeden Aspekt im Leben der Menschen betreffen.“ Der Fokus der Demokratiebildung liegt auf der Teilhabe der jungen Bürger am Gemeinwesen im Mittelpunkt, während die Menschenrechtsbildung die Person und ihre Identität, Wünsche und Bedürfnisse, Freiheiten und Pflichten aus der Perspektive der Menschenrechte betrachtet.

EDC/HRE betont die aktive Rolle der Lernenden als junge Bürgerinnen und legt Wert darauf, dass diese ihre Menschenrechte kennen, verstehen und wertschätzen. Im Unterricht und durch die Teilhabe am Schulleben trainieren sie, ihre Menschenrechte wahrzunehmen und gewinnen das Selbstvertrauen, auch später im Leben davon Gebrauch zu machen. Verglichen mit traditionellen, am Stoff orientierten Ansätzen der Institutionenkunde macht EDC/HRE einen großen Schritt nach vorn. EDC/HRE betrachtet die Lernenden als Expertinnen und Experten und respektiert ihre Interessen und Alltagserfahrungen.

EDC/HRE vertritt einen ganzheitlichen Lehr- und Lernansatz. Die Aufgaben der Lehrpersonen in EDC/HRE lassen sich unter drei Prinzipien zusammenfassen:

  • „über” Demokratie und Menschenrechte lehren und lernen;
  • „für” Demokratie und Menschenrechte lehren und lernen;
  • „durch” Demokratie und Menschenrechte lehren und lernen.

2.1 „Über” Demokratie und Menschenrechte lehren und lernen

Students need a sound understanding of what democracy means, and what human rights they enjoy, in which documents they have been laid down, and how they may be protected and enforced. As young citizens, they need to know how their country’s constitution functions as a political system.

2.2 „Für” Demokratie und Menschenrechte lehren und lernen

Junge Bürgerinnen und Bürger müssen lernen, wie sie an der politischen Willensbildung partizipieren und wie sie ihre Menschenrechte ausüben können: „Jede Generation muss demokratische Werte und Handlungsweisen immer wieder neu erlernen, um den dringlichen Herausforderungen zu begegnen, denen sie sich gegenübersieht. Damit Bürgerinnen und Bürger mündige und aktive Mitglieder der Gesellschaft werden, muss es ihnen ermöglicht werden, sich gemeinsam für das Gemeinwohl einzusetzen; sie müssen alle – auch abweichende – Meinungen respektieren; sie müssen am institutionalisierten politischen Prozess teilnehmen; sie müssen sich von Demokratie und Menschenrechten in ihren Wertvorstellungen, ihrem Alltagsleben und in ihrem Verhalten leiten lassen. Dann nämlich fühlen sich Bürgerinnen und Bürger als nützliche und anerkannte Mitglieder ihres Gemeinwesen, die zur Teilhabe fähig sind und erfahren, dass sie durch ihren Beitrag etwas bewirken können.”2

2.3 „Durch” Demokratie und Menschenrechte lehren und lernen

In EDC/HRE brauchen Schülerinnen und Schüler ein Umfeld, das ihre Lernprozesse unterstützt. Sie benötigen Lehr- und Lernmethoden, die es ihnen ermöglichen, ihre Menschenrechte – etwa Gedanken- und Meinungsfreiheit – auszuüben. Sie sollen die Chance haben, in ihrer Schule mitzuentscheiden, ihre Menschenrechte auszuüben und ihrer Verantwortung gerecht zu werden. Sie sind Lehrpersonen angewiesen, die ihnen die Werte gegenseitiger Achtung, Toleranz und gewaltfreier Konfliktlösung vorleben können. Demokratie und Menschenrechte dienen unter all diesen Gesichtspunkten als pädagogische Leitlinie, und zwar für EDC/HRE im Unterricht als auch für die Schule als Mikro-Gesellschaft.

EDC/HRE ist eine Herausforderung für Lernende, für Lehrpersonen und für Schulen. Das vorliegende Handbuch bietet Lehrpersonen und Praktikerinnen Orientierungshilfe und Unterstützung, um mit dieser Herausforderung umzugehen.

EDC/HRE steht für das Prinzip der diskursiven, gewaltfreien Konfliktlösung in der Demokratie. Seit dem Erscheinen der englischsprachigen Ausgabe im Jahr 2010 scheint dieses Prinzip auf größeren Widerstand zu stoßen angesichts der verstärkten Polarisierung in unseren Gesellschaften und des Erstarkens der sog. Neuen Rechten. Die Aufgabe für EDC/HRE mag schwieriger geworden sein, obsolet ist sie nach unserer Überzeugung keineswegs ganz im Gegenteil. Demokratie bleibt ein prekäres Projekt, und Demokratie- und Menschrechtsbildung sind heute notwendiger und wichtiger denn je.

3. Hartley, M. and Huddleston, T. (2010): School-Community-University Partnerships for a Sustainable Democracy: Education for Democratic Citizenship in Europe and the United States. EDC/HRE-Pack, Tool 5. Strasbourg: Europarat, S. 13 (https://www.coe.int/en/web/edc/publications; Abruf am 21.02.2018); eigene Übersetzung.