Einheit 5 (Primarschule, 5. Klasse) – WIR VEREINBAREN REGELN FÜR UNSER KLASSENZIMMER

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A. Grobplanung

Schlüsselfrage/Thema

Schlüsselaktivität

Material

Sequenz 1

Welche Rechte hat jede Person in unserem Klassenzimmer?

Die Schüler/innen erarbeiten in Gruppen eine Liste mit Vorschlägen für Regeln in ihrer Klasse.

A3-Blätter

Sequenz 2

Was sind gute Regeln?
Warum können Regeln lästig, warum nützlich sein?

Die Schüler/innen denken über das Prinzip der Ordnung und der Regeln nach.

Handouts mit Grundlagen zu den Regeln in der Demokratie.

Leere A4-Blätter.

Sequenz 3

Wie können Kinderrechte im Klassenzimmer Wirkung zeigen?

Die Schüler/innen erarbeiten in Gruppen Vorschläge für Regeln in Übereinstimmung mit einzelnen Kinderrechten.

Handouts kopiert oder von den Schüler/innen selbst geschrieben.

Sequenz 4

Gruppenvorschläge erarbeiten und sich auf Regeln für die Klasse einigen.

Die Schüler/innen vergleichen ihre Ideen und versuchen, eine gemeinsame Lösung für die Klasse zu finden.

 

B. Hintergrund und Lernziele

Wenn Regeln für das Klassenzimmer unter dem Gesichtspunkt der Menschen- oder Kinderrechte betrachtet werden, erhalten sie plötzlich eine Tragweite, die über die blosse Einhaltung von Ruhe und Ordnung im Schulzimmer hinausgeht.

Menschen- und Kinderrechte sind keine Sammlung von nüchternen, rechtlichen Normen, die gleichsam von selbst gelten. Um zu funktionieren und ihre Bedeutung im Dienste der Gleichheit und Gerechtigkeit auch tatsächlich entfalten zu können, müssen sie als Instrumente und Richtlinien im Alltag vielmehr aktiv ein- und umgesetzt werden. Im Alltag und im Leben von Schüler/innen ist die Schule ein wichtiges Element, wenn nicht sogar, neben der Familie, das wichtigste. Aber Schule ist mehr als das: Sie ist darüber hinaus fast der einzige Ort, an dem Schüler/innen in geschütztem Rahmen und Raum üben können, wie sie sich in der Gesellschaft verhalten sollen. Die Schule als Ganzes – vom Klassenzimmer über das Schulgebäude und -gelände bis hin zur Struktur der Schule und ihrer Leitung – bilden im Kleinen ein Modell der Gesellschaft, stellen eine Art Mikrogesellschaft dar. Was die Schüler/innen hier lernen, entwickeln und erproben, ist mit grosser Wahrscheinlichkeit prägend für ihr Verhalten ausserhalb des Klassenzimmers und der Schulgemeinschaft. Dies bewusst zu machen und für die Erziehung im Sinne der Kinderrechte zu nutzen, ist ein wichtiges Ziel der vorliegenden Einheit.

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Dazu gehört auch die Einsicht in die Tatsache, dass Rechte und Pflichten ein sich ergänzendes Begriffs- und Konzeptpaar bilden. Sie gehören zueinander wie Tag und Nacht oder Sommer und Winter. Rechte und Pflichten hängen voneinander ab. Wer diese Interdependenz bzw. gegenseitige Abhängigkeit nicht erkennt, kann auch die Bedeutung der Menschen- und Kinderrechte nicht verstehen.

Das nachfolgend beschriebene Projekt bezieht sich vor allem auf die folgenden Artikel der Kinderrechtskonvention:

Artikel 12, die eigene Meinung geltend machen;

Artikel 13, die Freiheit sich zu äussern;

Artikel 28, das Recht auf Bildung, und

Artikel 31, das Recht auf Freizeit und Erholung.

 

 

C. Schlüsselfragen für die Reflexion der fünften Einheit

Kinderrechte erleben

Kinderrechte kennenlernen

Kinderrechte umsetzen

Lehrperson

Wie wurde den Prinzipien der Kinderrechte im Klassenzimmer und in der Schulgemeinschaft Rechnung getragen?

Was wissen die Kinder jetzt über Kinderrechte?

Lernen, wie man ausserhalb der Schule aktiv etwas unternehmen kann: Was haben die Schüler/innen für ihre Zukunft gelernt?

In dieser Einheit machen die Schüler/innen die Erfahrung, dass wir fürs Zusammenleben Regeln brauchen, die wir verstehen müssen, und dass die Kinderrechte ein solches Regelsystem darstellen.

Artikel 12, 13, 28, 31 (siehe die Kinderrechtskonvention im Anhang)

Die Schüler/innen verstehen, wie Regeln in einer Demokratie entstehen. Sie sind in der Lage, an einem demokratischen Entscheidungsprozess teilzunehmen.

Schüler/innen

Wie habe ich Kinderrechte im Unterricht erlebt?

Was habe ich über Kinderrechte gelernt?

Was kann ich jetzt aktiv unternehmen?

Ich verstehe, dass Rechte und Pflichten zusammengehören. Ich habe begriffen, dass Regeln von Menschen für Menschen gemacht wurden, dass sie verändert werden können und dass es nicht einfach ist, sich auf Regeln, die für alle Mitglieder einer Gruppe bindend sind, zu einigen.

Ich weiss jetzt, dass ich das Recht habe, die Regeln für unsere Klasse mitzubestimmen. Es ist mir bewusst, dass die Entwicklung der Kinderrechtskonvention das Resultat eines ähnlichen Prozesses war.

Ich kann jetzt versuchen, ähnliche Regeln für das Zusammenleben in meiner Familie, im Sportclub oder mit meinen Freunden zu entwerfen. Wichtig ist mir, dass möglichst alle Beteiligten einbezogen sind und wir es schaffen, uns auf einen Kompromiss zu einigen.

 

D. Feinplanung

Sequenz 1

Informativer Einstieg und Überblick über das Projekt bzw. zum Programm der folgenden vier Sequenzen.

Von der Lehrperson moderierte Diskussion zum Thema «Rechte und Pflichten». Mögliche Impulse:

  • Nennt einige Rechte, die ihr im Schulzimmer/auf dem Pausenhof/in der Familie habt! Erinnert euch an die Kinderrechte, von denen ihr schon Einiges gehört habt!
  • Diese Rechte werden aber erst wirksam, wenn die anderen sie auch respektieren. Zu jedem Recht gehört für die anderen/für uns alle auch eine Pflicht! Überlegt das am Beispiel des Rechts auf einen Namen! Und nun an anderen Beispielen, die ihr erwähnt habt!

Aufteilung der Klasse in drei, sechs oder neun Gruppen (je nach Grösse der Klasse. Die Gruppen sollten nicht mehr als maximal fünf Kinder umfassen). Die Aufteilung kann mit Hilfe eines gruppenbildenden Spiels oder einfach durch Abzählen vorgenommen werden. Die Gruppen werden mit A, B oder C bezeichnet.

Jede Gruppe bestimmt einen Sprecher/eine Sprecherin. Dann kurze Runde in der Klasse: Wie habt ihr in den einzelnen Gruppen euren Sprecher/eure Sprecherin ausgewählt?

Jede Gruppe erhält ein Blatt, das in drei Teile unterteilt ist. Im obersten Drittel schreibt die Gruppe zunächst alle Rechte auf, die ihrer Meinung nach jeder Person in der Klasse zustehen (Lehrperson eingeschlossen). Alle Vorschläge werden erst nach Einigung in der Gruppe aufgeschrieben und anschliessend nummeriert.

Kurze Runde in der Klasse: Was habt ihr notiert? (inhaltlicher Austausch); Wie gut funktionierte diese Übung? Was hat den Entscheidungsprozess unterstützt? Was hat ihn behindert?

Die Blätter werden an die nächste Gruppe weitergegeben (A zu B, B zu C, C zu A).

Die Gruppen beurteilen die Liste mit den Rechten der vorhergehenden Gruppe und diskutieren folgende Fragen: Welche Pflichten gehören zu diesen Rechten, welche Verpflichtungen müssen wir eingehen, um diese Rechte zu respektieren? (Z.B. entspricht dem Recht «Alle haben das Recht, angehört zu werden» die Pflicht «Wir haben die Pflicht, zuzuhören»).

Die Gruppe hält im mittleren Drittel des Blattes die Pflichten fest, die zu den Rechten im oberen Drittel gehören (unter Verwendung der gleichen Nummern). Dies kann entweder anhand des eigenen Blattes oder anhand des vorher besprochenen Blattes einer anderen Gruppe erfolgen.

Am Ende der Sequenz sammelt die Lehrperson alle Beiträge der Schüler/innen ein und schaut sie bis zur nächsten Sequenz durch.

Sequenz 2 (Dauer ca. 1 1/2 Lektionen)

Von der Lehrperson moderierte Diskussion zum Thema «Regeln»; illustriert mit Verweisen z.B. auf Regeln im Sport, im Schulzimmer oder im Strassenverkehr. Aspekte/Impulse:

  • Was ist gut daran, dass es Regeln gibt? Was kann auch störend daran sein?
  • Wann bin ich froh, dass es Regeln gibt; wann nerven sie mich?
  • Wer legt eigentlich Regeln in verschiedenen Zusammenhängen fest, wer hat in ver-schiedenen Kontexten die Macht, ihre Einhaltung durchzusetzen und Verstösse zu sanktionieren?

Als Input oder Zusammenfassung kann auch der folgende Text, evtl. in vereinfachter Form, verwendet werden:

Disziplin und Ordnung in der Demokratie – und in der Schule

  1. Ordnung ist unter allen Umständen nötig. Eine Gruppe ohne Ordnung und Grundregeln kann nicht demokratisch sein.
  2. Grenzen sind notwendig. Regeln können falsch oder ungeeignet sein. Aber so lange sie nicht ersetzt werden, müssen sie respektiert werden. Es muss aber möglich sein, sie zu ändern.
  3. Kinder sollten von Anfang an daran beteiligt sein, Regeln aufzustellen und durchzusetzen. Nur so ist es für sie möglich, sich mit den Regeln zu identifizieren.
  4. Eine Klassengemeinschaft kann ohne gegenseitigen Respekt und Vertrauen nicht funktionieren. Allerdings verlangt es oft einige Anstrengung, eine solche Atmosphäre herzustellen.
  5. Teamgeist muss im Klassenzimmer an die Stelle von Wettbewerb treten.
  6. Eine freundliche Atmosphäre im Klassenzimmer ist von entscheidender Bedeutung.
  7. Eine entscheidende Rolle spielt, wie gut es die Lehrperson schafft, die Klasse demokratisch zu führen, das Gefühl von Zugehörigkeit zur Gruppe entwickeln, Beziehungen aufzubauen etc. 2.
  8. Kommunikation in der Gruppe ist in einer demokratisch geführten Klasse etwas Unerlässliches und muss ständig gepflegt werden.
  9. Schüler und Schülerinnen müssen ermutigt werden, Neues zu wagen und von ihren Fehlern zu lernen.
  10. Freiheiten müssen sich innerhalb gewisser Grenzen bewegen. Nur so kann sich ein individuelles Verantwortungsbewusstsein entwickeln.
  11. Disziplin und Ordnung werden von den Menschen akzeptiert, wenn sie dazu beitragen, dass jede/r sich entfalten und ausdrücken kann und wenn sie die Gruppe unterstützen, zufriedenstellende Beziehungen und Arbeitsbedingungen aufzubauen.

„Eine Gruppe ohne Ordnung und Grundregeln kann nicht demokratisch sein“

Aufteilung der Klasse in die gleichen Gruppen wie in der vorhergehenden Sequenz. Die Lehrperson verteilt die A3-Blätter vom letzten Mal und gibt den folgenden Input:

  • Schaut das bisher Geschriebene nochmals an. Überlegt euch dann einige Regeln, die ihr für unser Zusammenleben besonders wichtig findet und die ihr anschliessend im Klassenzimmer aus- und zur Diskussion stellen möchtet! (Das kann Punkte betreffen, die schon auf den oberen zwei Dritteln des Blattes stehen, oder aber auch Neues.)

Schreibt diese Regeln auf das unterste Drittel des Blattes, und zwar gemäss folgenden Richtlinien (am besten vorgängig an einem oder zwei Beispielen durchspielen!):

  • Die Regeln sollen positiv formuliert sein, nicht als Verbote.
  • Die Formulierung soll wenn möglich Pflicht und Recht umfassen, z.B. in Form einer Weil-Formulierung. Beispiel: «Wir hören zu, wenn jemand anders spricht, weil alle das Recht haben, angehört zu werden.»

Die Gruppen arbeiten gemäss den Aufträgen. Anschliessend setzen sich je zwei Gruppen zusammen und stellen sich ihre Regeln vor. Diskussion, Feedback auch zur Verständlichkeit der Formulierung, evtl. Überarbeitung/Optimierung.

Auswahl von max. drei Regeln pro Gruppe; diese werden in grosser Schrift auf grosse Papierstreifen (aus A3 quer geschnitten) geschrieben.

Die drei Regeln pro Gruppe werden vorne aufgehängt; Klassengespräch dazu, bei dem ein/e Sprecher/in aus jeder Gruppe die betr. Regeln erläutert.

Gesamtschau, «Endredaktion» mit Blick auf eine Sammlung von Regeln, die wir für unsere Klasse als verbindlich betrachten wollen:

  • Was kommt mehrfach identisch oder ähnlich vor, was könnte wie zusammengefasst werden?
  • Was müsste prägnanter/verständlicher formuliert werden?

Abschliessende Konsensfindung/Abstimmung über die Regeln. Jedes Kind darf bei jenen fünf Regeln einen Strich machen (oder einen Klebepunkt setzen), die seiner Meinung nach prioritär in die Liste der Klassenregeln aufgenommen werden sollen. Die Regeln, die am meisten Stimmen erhalten (beschränkt auf z.B. zehn Regeln), bilden die Liste der Klassenregeln oder werden in eine schon bestehende Liste solcher Regeln aufgenommen. Sie können in einem besonderen Dokument festgehalten werden und von der ganzen Klasse unterschrieben werden. Dieses Dokument erhält einen prominenten Platz im Klassenzimmer.

Lernreflexion (bei der zugleich die neu erarbeiteten Regeln ein erstes Mal angewendet werden): Was hat uns bei der bisherigen Arbeit geholfen, was war schwierig oder hinderlich? Wie hast du zu den Aktivitäten beigetragen? Welche Beiträge von anderen in der Klasse waren hilfreich? Warum, was haben sie getan?

Sequenz 3

Die Lehrperson aktualisiert/rekapituliert das Wissen zu den Kinderrechten (vgl. Einheit 3, Sequenz 2 und Einheit 4, Sequenz 1): Entstehung; die wichtigsten Kinderrechte; evtl. Bezug zu den Menschenrechten.

Dann stellt die Lehrperson die folgende Auswahl an Kinderrechten vor, diesmal mit Bezug auf den Originaltext aus der Kinderrechtskonvention (siehe im Anhang):

  • Artikel 12, die eigenen Sichtweisen und Interessen darlegen.
  • Artikel 13, die Freiheit, sich zu äussern.
  • Artikel 28, das Recht auf Bildung.
  • Artikel 31, das Recht auf Freizeit und Erholung.

Die Schüler/innen werden in Gruppen aufgeteilt (wie in Sequenz 1 und 2, oder Bildung neuer Gruppen à 3-4 Kinder). Jede Gruppe erhält ein A4-Blatt und bereitet gemäss unten stehendem Muster ein Arbeitsblatt mit zwei Spalten vor. In der schmaleren Spalte (links) listet sie die vier Rechte auf und verteilt sie in regelmässigen Abständen auf der Seite. In der breiteren Spalte (rechts) werden die Gedanken zu Rechten und Pflichten gesammelt, die mit dem betreffenden Recht verbun¬den sind. Ausgangspunkt kann die Frage sein: «Wenn mein Nachbar, eine Freundin oder ein Klassenkamerad dieses Recht einfordert, welche Verpflichtungen ergeben sich dann für mich und die anderen?» Oder: (zu Artikel 28): «Welche Voraussetzungen müssen eigentlich die Gesellschaft und die Schule erfüllen, um das Recht auf Bildung wirklich garantieren zu können? Wie und was kann ich als Klassenmitglied zum Erfolg dieses Rechtes beitragen?» – Die Resultate werden in der folgenden Sequenz besprochen.

Namen der Gruppenmitglieder

Rechte

Regeln und Pflichten

Artikel 12
Die eigenen Sichtweisen und Interessen darlegen.

Worum geht es?

Artikel 13,
Die Freiheit, sich zu äussern.

Worum geht es?

Artikel 28,
Das Recht auf Bildung.

Worum geht es?

Artikel 31,
Das Recht auf Freizeit und Erholung.

Worum geht es?

Sequenz 4

Die Schüler/innen präsentieren einander ihre Ergebnisse, d.h. die Einträge auf den Arbeitsblättern aus Sequenz 3. Es gibt einen Sprecher/eine Sprecherin pro Gruppe. Folgende Aspekte könnten thematisiert werden:

  • Wie sind wir bei dieser Aufgabe vorgegangen? (Prozess der Gruppenarbeit und Entscheidungsfindung)
  • Was war uns wichtig? (Kriterien und Werte)
  • Wie können wir sicherstellen, dass die Regeln beachtet werden? (Einstellungen gegenüber Regeln und ihrer Umsetzung); welche Instanzen sind bei de vier behandelten Kinderrechten eigentlich für die Einhaltung der Regeln zuständig?

Möglicher Abschluss: Gemeinsame Schlussredaktion, Einigung auf eine gemeinsame Fassung für die Regeln und Pflichte in Zusammenhang mit den vier behandelten elementaren Kinderrechten. Denkbar ist, dass eine Gruppe den Auftrag erhält, ein entsprechendes Dokument in grafisch und künstlerisch ansprechender Ausarbeitung herzustellen, das dann, zusammen mit den Klassenregeln aus Sequenz 2, am Kinderrechtstag als Beispiel für angewandte Demokratie im Klassenzimmer ausgestellt wird.