5. Didaktischer Ansatz: Lernen anhand von Beispielen (induktiv)
Living Democracy » Textbooks » Kinderrechte erkunden » Teil II: Hintergrundinformationen » 5. Didaktischer Ansatz: Lernen anhand von Beispielen (induktiv)Die Unterrichtsvorschläge im vorliegenden Handbuch orientieren sich am induktiven Ansatz, bei dem konkrete Beispiele den Ausgangspunkt bilden. Dabei lernen die Schüler/innen allgemeingültige Prinzipien oder abstraktere Probleme anhand der Erfahrungen verstehen, die sie in der Auseinandersetzung mit diesen konkreten Beispielen bzw. durch die Analyse derselben gemacht haben. Folgende drei Schritte muss eine Lehrperson planen und ausführen, um anhand von Beispielen zu unterrichten:
- Sorgfältige Auswahl eines oder mehrerer geeigneter Beispiele; Entscheidung, mit welchen Medien und Methoden das Beispiel bzw. die Beispiele eingeführt werden sollen.
- Schaffung von behutsam moderierten Diskussions- und Reflexionsphasen, während derer die Schüler/innen anhand des Beispiels ein allgemeines Verständnis für ein Thema und dessen Schlüsselkonzepte entwickeln.
- Schaffung geeigneter Gelegenheiten, das neu erworbene Wissen und die kennengelernten Kategorien anzuwenden und in neuen Kontexten zu erproben (Vertiefung, Transfer).
Als Unterstützung zu Schritt 2 wird in jeder Einheit eine Matrix verwendet, die sich auf alle drei oben referierten Dimensionen der Bildung zur Demokratie bezieht. In der unteren Hälfte dieser Matrix (vgl. die Abbildung unten) werden Schlüsselfragen vorgeschlagen, die den Schüler/innen helfen sollen, das Gelernte in der Klasse zu reflektieren. Diese Reflexion ist wichtig, damit die Lernziele, inhalte und -erkenntnisse nicht bloss abstrakte Konzepte bleiben, sondern von den Schüler/innen in Worte gefasst, verstanden, erfahren und im täglichen Leben umgesetzt werden. Durch den Austausch ihrer Ideen in der Klasse profitieren sowohl die einzelnen Schüler/innen als auch die Klassengemeinschaft als Ganzes.
Lernprozesse entfalten erwiesenermassen am meisten Wirkung, wenn die Lernenden wissen, was, warum und wofür sie lernen. Es ist deshalb zentral, dass die Schüler/innen begreifen, warum sie gewisse Konzepte und Kategorien, Charakteristika und Mechanismen von demokratischen Gesellschaften kennen müssen. Ebenso sollen in den Reflexions- und Diskussionsphasen nicht nur die generellen Schlussfolgerungen, sondern der ganze Lernprozess thema¬tisiert werden. Im Sinne des konstruktivistischen Lernens werden sich die Schüler/innen dadurch bewusst, wie sie lernen, zu welchem Lerntyp sie gehören und welches ihre spezifischen Stärken und Bedürfnisse mit Bezug auf das Lernen sind. Bei einem Unterricht, der sich am Postulat «Kinderrechte erleben lassen» orientiert, sind die Lehrpersonen gefordert und ermutigt, ihren Lernenden entsprechend deren Bedürfnissen Zeit und Raum zu gewähren. Nur so können die einzelnen Lernenden ihren eigenen Lerntyp erkennen und als Teil der eigenen Identität integrieren.
Desgleichen sollte die Lehrperson im Sinne einer demokratischen Klassenführung die Lernziele und die Wege zu deren Erreichung nicht nur als Mittel für die eigene Unterrichtsplanung betrachten, sondern sie wo immer sinnvoll und möglich auch den Schüler/innen kommunizieren. Auf diese Weise kann die Unterrichtsplanung selbst zu einer Übung in demokratischer Entscheidungsfindung werden.
Zugleich kann der Unterricht zum Thema Kinderrechte mit dieser Form des Meta-Lernens zum Modell dafür werden, wie Schüler/innen ganz allgemein vermittelt werden soll, ihre eigenen Lernprozesse zu organisieren. Dabei handelt es sich um eine wichtige Schlüsselqualifikation, wenn wir bedenken, dass Veränderungsprozesse in modernen Gesellschaften (z.B. hinsichtlich Technologie, Wirtschaft und Umwelt) immer dynamischer und komplexer werden. Dies stellt zukünftige Generationen vor neue Herausforderungen. Um im Beruf bestehen und sich an mannigfaltigen Entscheidungsfindungen beteiligen zu können, werden diese Generationen sich in einem lebenslangen Lernprozess mit Problemen auseinandersetzen müssen, die heute noch niemand voraussehen kann. Um dafür gerüstet zu sein, müssen unsere Schüler/innen früh schon zu Experten und Expertinnen in kooperativem Lernen und Projektarbeit, in Prozessbeurteilung und Problemlösung werden. In diesem Handbuch schlagen wir hierfür erste kleine Schritte vor, die Kinder am Anfang ihrer Lernkarriere unterstützen sollen.