Sequenz 4: Regeln der Beweisführung
Living Democracy » Textbooks » In der Demokratie leben » Teil 4: Politik » Einheit 8: Regeln und Recht » Sequenz 4: Regeln der BeweisführungWelche Aussagen sollen vor Gericht als Beweise anerkannt werden?
Ziele |
Die Lernenden können den Begriff und die Bedeutung der Unschuldsvermutung gegenüber nicht überführten Beschuldigten erklären. Die Lernenden können die Regeln der Beweisführung vor Gericht begründen. |
Aufgaben |
Die Lernenden begründen, welche Aussagen vor Gericht als Beweis anerkannt werden. Die Lernenden begründen, welche Fragetechniken vor Gericht zulässig sind. |
Medien und Hilfsmittel | Ein Satz Diskussionskarten (Handout 8.2) pro Arbeitsgruppe. |
Methoden | Gruppenarbeit, Plenumsdiskussion. |
Beweise in StrafverfahrenEin Kernelement in jedem Strafrechtssystem stellen jene Regeln dar, die bestimmen, welche Beweise vor Gericht zugelassen bzw. nicht zugelassen sind, um ein faires Verfahren zu garantieren. Ist es z.B. fair, Hinweise, die man durch Hörensagen erhalten hat, als Beweise zu verwenden (d.h. Aussagen, die auf der Wahrnehmung von Zeugen beruhen, sondern von Dritten stammen)? Ist es fair, Beweise zu verwenden, die durch Folter oder Gewaltandrohung erzwungen wurden? Ist es fair, in der Zeugenvernehmung mit Suggestivfragen zu arbeiten, also den Befragten eine Aussage in den Mund zu legen? |
Verlauf der Sequenz
Die Lehrperson gestaltet den Einstieg in die Sequenz mit einem Impuls. Sie präsentiert den Grundsatz der Unschuldsvermutung in der Europäischen Menschenrechtskonvention. Sie liest den Wortlaut vor und präsentiert ihn schriftlich (z.B. Beamer, Flipchart oder Tafelanschrieb):
Jede Person, die einer Straftat angeklagt ist, gilt bis zum gesetzlichen Beweis ihrer Schuld als unschuldig. Europäische Menschenrechtskonvention (1950), Artikel 6. Ziff. 2 |
Die Lehrperson fordert die Lernenden auf, diese Bestimmung zu erklären. Nachdem mehrere Lernende durch ihre Beiträge die Aussage und Intention herausgearbeitet haben, kann die Lehrperson den Begriff der Unschuldsvermutung am Anfang des Verfahrens einführen. Die Lernenden sollten die Bedeutung dieses Prinzips für einen fairen Prozess verstehen, und dass Angeklagte nur verurteilt werden können, wenn die vorliegenden Beweise ausreichen, ihre Schuld nachzuweisen. In dieser Sequenz werden die Lernenden die Regeln der Beweisaufnahme im Strafverfahren untersuchen.
Die Lernenden bilden Arbeitsgruppen mit vier bis sechs Mitgliedern. Die Lehrperson trägt den Gruppen die fiktive Fallgeschichte eines laufenden Strafprozesses vor: Angeklagt ist ein junger Mann namens Manuel, beschuldigt wird, das Auto eines gewissen Herrn Kay gestohlen zu haben. Spätabends verschwand das Fahrzeug, das vor Herrn Kays Haus abgestellt worden war, und am nächsten Morgen fand man es verlassen außerhalb des Dorfes. Es war mit Benzin übergossen und angezündet worden. Im Lauf der Woche nahm die Polizei Manuel fest und er wurde des Diebstahls und der Sachbeschädigung beschuldigt.
Jede Gruppe erhält einen Satz Diskussionskarten (siehe Handout 8.2). Die Karte enthalten Aussagen Manuels sowie von Zeugen, und die Anklagevertretung verwendet sie als Beweise, um Manuels Schuld nachzuweisen.
Die Gruppen erhalten den Auftrag,
- zu diskutieren, welche dieser Aussagen sie als Beweise von Manuels Schuld überzeugen und eine absteigende Rangfolge der Aussagen entsprechend ihrem Gewicht anzulegen
- zu entscheiden, ob bestimmte Aussagen nicht als Beweis zugelassen werden sollten, da die Lernenden sie für bedeutungslos oder unfair halten.
Im Anschluss an die Gruppenarbeit präsentieren und vergleichen die Gruppen ihre Entscheidungen im Plenum. Gemeinsam versuchen sie sich darauf zu einigen, welche Aussagen als Beweise anerkannt bzw. zurückgewiesen werden sollen.
Anschließend erhalten die Gruppen einen Anschlussauftrag:
- Begründet, welche Fragen das Gericht, nachdem es die ersten Aussagen (Handout 8.2) gehört hat, nun an die Zeugen und an Manuel stellen sollte.
- Begründet, welche Fragen bzw. welche Fragetechnik ihr für unfair haltet, so dass sie vor Gericht unzulässig wären.
Die Gruppen stellen ihre Ergebnisse im Plenum vor und vergleichen sie. Die Lernenden versuchen sich auf eine Zusammenstellung der Arten von Aussagen bzw. Fragen zu einigen, die sie vor Gericht für unzulässig halten.
Wenn es die Zeit erlaubt, kann diese Sequenz mit einer Rechercheaufgabe (Hausaufgabe) weitergeführt werden: Die Lernenden suchen die Regeln der Beweisführung, die an den Gerichten in ihrem Land gelten und diese dann in der nächsten Sequenz der Klasse vorstellen.