7.6 Sollen wir uns an politischen Entscheidungsprozessen beteiligen?
Living Democracy » Textbooks » Demokratie lehren » Kapitel 7 – Politische Teilhabe » 7.6 Sollen wir uns an politischen Entscheidungsprozessen beteiligen?Ziele | Die Lernenden begreifen, dass eine Demokratie darauf angewiesen ist, dass ihre Bürger und Bürgerinnen sich in politischen Entscheidungsprozessen engagieren. Sie verstehen, dass sie durch ihr politisches Engagement nicht nur ihren Interessen dienen, sondern auch ihrem Land und der Zukunft der nachfolgenden Generationen. |
Material | Rollenkarten für alle Lernenden. |
Hinweis | Das Rollenspiel regt die Lernenden an, unabhängig von ihren Vorkenntnissen sich mit ihren Einstellungen zur Demokratie und zur Teilhabe an politischen Entscheidungsprozessen auseinander zu setzen. Auch ihre Gesellschaftsbilder und Politikkonzepte werden tangiert. |
Verfahren
- Die Lehrpersonen stellt die Themenfrage und das Rollenspiel vor: Vier Personen sind neu gegründeten Staat angekommen. Sie kommen miteinander ins Gespräch, und sie haben unterschiedliche Vorstellungen, ob, sie sich an den Entscheidungsprozessen in der Aufbauphase beteiligen wollen. Die Schülerinnen und Schüler im Rollenspiel sollten sich von ihren persönlichen Einstellungen distanzieren, um die Rolle überzeugend spielen zu können.
- Die Lernenden bilden Vierergruppen. Vier dieser Gruppen erhalten Kopien einer Rollenkarte und erarbeiten Ideen für die Umsetzung im Rollenspiel (ca. 5 – 7 Minuten). Ein Mitglied jeder Gruppe beteiligt sich am Rollenspiel. Die übrigen Mitglieder beobachten das Rollenspiel aus der Perspektive der Rolle, mit der sie sich befasst haben.
- Die übrigen Gruppen sammeln Argumente, die dafür die Themenfrage zu bejahen bzw. zu verneinen. Sie erarbeiten sich damit einen Referenzrahmen für die Beobachtung des Rollenspiels und zur Beurteilung der Argumente der Spieler und Spielerinnen.
- Vier Lernende agieren im Rollenspiel (ca. 10 Minuten). Sie stellen Personen dar, die sich von politischen Entscheidungen fernhalten – der bzw. die Unpolitische (1), Überforderte (2), von den Machthabern Entmutigte (3) sowie von der Korruption der Amtsträger Angewiderte (4). Die übrigen Lernenden beobachten das Spiel und notieren Punkte für das anschließende Feedback. Die Lehrperson bricht das Rollenspiel ab, wenn sie feststellt, dass sich das Gespräch beginnt im Kreis zu drehen oder sich die Argumente wiederholen.
- Auswertung im Plenum
Rollendistanzierung und Feedback- Die vier Akteure und Akteurinnen geben Feedback aus ihrer Perspektive und distanzieren sich ggf. von ihrer Rolle.
- Die Beobachtergruppen geben Feedback.
Diskussion, z.B. zu folgenden Impulsfragen: - Was würden die vier Bürgerinnen und Bürger verlieren, wenn sie sich nicht an politischen Entscheidungsprozessen beteiligen?
- Was könnten sie gewinnen, wenn sie sich beteiligen würden?
- Welche Folgen hätte es für das ganze Land, wenn sich die Bürgerinnen und Bürger an politischen Entscheidungsprozessen beteiligen – oder aber darauf verzichten?
- Wägt die Chancen und Risiken ab: Lohnt es sich eher, an politischen Entscheidungsprozessen teilzunehmen – oder sich aus ihnen herauszuhalten?
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- Wer zahlt wie viel Steuern, und wofür werden sie verwendet?
- Sollen sich die Streitkräfte an einem Militäreinsatz mit UN-Mandat beteiligen?
- Wem gehören die Bodenschätze des Landes, und wer entscheidet wie sie verwertet wer-den?
- Was soll getan werden, um den Klimawandel und seine Folgen in den Griff zu bekommen?
- Was sollen Schülerinnen und Schüler lernen?
Schlussfolgerung
Die Schlussfolgerung aus dieser Diskussion im Sinne von EDC/HRE lautet: Politische Entscheidungsprozesse betreffen das Leben und die Zukunft der Menschen in vielerlei Hinsicht, z.B.:
Organisierte Interessengruppen, Parteien, Akteure aus allen Bereichen der Gesellschaft (z.B. Unternehmen, Gewerkschaften, Kulturinstitutionen, Wissenschaftler) sowie Medien versuchen auf politische Entscheidungen Einfluss zu nehmen. Wer sich im politischen Streit nicht zu Wort meldet, muss damit rechnen, dass die endgültige Entscheidungen seinen oder ihren Interessen und Wertvorstellungen zuwiderlaufen.
Variation (Schritt 2 – 5 im Gruppenpuzzle)
- Alle Lernenden agieren im Rollenspiel. Sie bilden vierköpfige Stammgruppen, die parallel im Rollenspiel agieren werden.
- Die Lernenden teilen sich in Expertengruppen auf (je 3 – 4 Mitglieder), die sich gemeinsam auf eine der vier Rollen vorbereiten.
- Die Lernenden gehen in ihre Stammgruppen zurück, die parallel das Rollenspiel durchführen. Ggf. beobachten und vergleichen einige Lernende den Verlauf der Spiele.
- Im Plenum vergleichen die Lernenden die Ergebnisse in den Rollenspielen: Wie beantworten die Gruppen die Themenfrage?
Vertiefung und weiterführende Fragen
Je nach Interesse und Vorkenntnissen der Lernenden sowie den Spielräumen bzw. den Anforderungen der Bildungspläne und Curricula befassen sich die Lernenden mit weiterführenden Themen und Fragen, z.B.:
- Welche Teilhaberechte sind in unserer Verfassung garantiert?
- In welchem Umfang sind die Bürger und Bürgerinnen berechtigt, politische Entscheidungen in einem Volksentscheid zu treffen (direkte Demokratie)?
- Wer entscheidet was in unserem Staat: Wie funktioniert das politische System in unserem Staat?
- Ist die Kritik an der Demokratie berechtigt, dass sie die meisten Bürgerinnen und Bürger überfordert?
- Wie sollen Amtsträger kontrolliert werden?
- Wo gibt es bei uns Fälle von Korruption, und was geschieht mit den Beteiligten?
Material (Rollenkarten)
Rollenkarte 1Rollenspiel: Stelle dir vor, dass du gerade in einem neu gegründeten Staat eingereist bist, und du von den Erfahrungen in Deinem Herkunftsland geprägt bist. Mit drei weiteren neu Eingereisten kommst du ins Gespräch. Diskutiere mit ihnen, ob ihr euch an politischen Entscheidungsprozessen im Aufbau eures neuen Landes beteiligen sollt. Deine Meinung dazu ist folgende: „Da, wo ich herkomme, interessierte sich niemand wirklich für Politik und das, was die Regierung macht. Wir waren immer zu sehr mit dem eigenen Alltag beschäftigt. Deshalb werde ich mich wohl auch hier nicht um Politik kümmern.“ |
Rollenkarte 2Rollenspiel: Stelle dir vor, dass du gerade in einem neu gegründeten Staat eingereist bist, und du von den Erfahrungen in Deinem Herkunftsland geprägt bist. Mit drei weiteren neu Eingereisten kommst du ins Gespräch. Diskutiere mit ihnen, ob ihr euch an politischen Entscheidungsprozessen im Aufbau eures neuen Landes beteiligen sollt. Deine Meinung dazu ist folgende: „Ich habe mich bisher wenig mit Politik beschäftigt … Eigentlich habe ich nie richtig begriffen, was die da oben vorhatten. Die stellten alles so kompliziert dar, dass wir gar nicht erst versuchten, zu verstehen worum es ging. |
Rollenkarte 3Rollenspiel: Stelle dir vor, dass du gerade in einem neu gegründeten Staat eingereist bist, und du von den Erfahrungen in Deinem Herkunftsland geprägt bist. Mit drei weiteren neu Eingereisten kommst du ins Gespräch. Diskutiere mit ihnen, ob ihr euch an politischen Entscheidungsprozessen im Aufbau eures neuen Landes beteiligen sollt. Deine Meinung dazu ist folgende: „Wir wollten mitreden bei den Fragen, die uns etwas angingen. Wir haben versucht uns einzubringen, doch die Machthaber ließen nicht zu, dass wir uns einmischten, sie und bedrohten uns. Also gaben wir den Versuch mitzumachen schließlich auf.“ |
Rollenkarte 4Rollenspiel: Stelle dir vor, dass du gerade in einem neu gegründeten Staat eingereist bist, und du von den Erfahrungen in Deinem Herkunftsland geprägt bist. Mit drei weiteren neu Eingereisten kommst du ins Gespräch. Diskutiere mit ihnen, ob ihr euch an politischen Entscheidungsprozessen im Aufbau eures neuen Landes beteiligen sollt. Deine Meinung dazu ist folgende: „In meinem Land wurden Wahlen abgehalten und unsere Regierung versprach uns, für die Zukunft unseres Landes zu arbeiten. Doch so kam es nicht. Wer konnte, nutzte seine Macht und sein Amt, um sich die Taschen zu füllen. Alle Politiker sind korrupt.“ |