Ziele

Die Lernenden begreifen, dass das Gefühl, aus der Gesellschaft ausgeschlossen zu sein (Exklusion), nicht nur darauf beruht, wie andere in der Gesellschaft einen Menschen wahrnehmen, sondern darauf, wie Angehörige der eigenen Gruppe ihn wahrnehmen (Erkenntnisziel)

Die Lernenden können die Perspektive anderer Menschen einnehmen und ihre Gefühle nachempfinden (Empathie); (Kompetenzziele).

Material Pro Arbeitsgruppe ein Kartenset (positive und negative Aussagen) sowie zwei Flipchartbögen, mit vorbereiteten Überschriften und Marker.
Hinweis

Im Folgenden wird ein Simulationsszenario beschrieben. Es ist entscheidend, dass die Lernenden zu Beginn des Spiels noch nicht wissen, wessen Perspektive sie einnehmen werden, da sie sonst auf ihre vorhandenen Vorstellungen oder Stereotypen zurückgreifen könnten.

Diese Simulation ein Beispiel jener Lernszenarios, die von der Lehrperson sorgfältig und umfassend strukturiert werden. Innerhalb des von der Lehrperson vorgegebenen Rahmens können sich die Lernenden frei entfalten, um ihre Ideen und Erfahrungen im simulierten Setting zu artikulieren.

Verfahren

  1. Die Lernenden bilden Gruppen mit vier bis sechs Mitgliedern – möglichst nicht mehr.
  2. Jede Gruppe erhält einen Satz der Karten mit positiven Aussagen (siehe unten), einen Marker und einen Flipchartbogen mit der Überschrift „GEFÜHLE“. Jede Gruppe bestimmt ein Mitglied, das die Kommentare und Reaktionen der Gruppe auf dem Flipchart protokolliert. Eine Alternati-ve: Alle Gruppenmitglieder halten ihre Aussagen selbst fest; vgl. dazu das Verfahren des stum-men Schreibgesprächs (Nr. 7.1).
  3. Die Lehrperson informiert die Lernenden, dass sie im folgenden Rollenspiel nicht sich selbst, sondern Mitglieder einer Minderheitengruppe darstellen werden. In einem ersten Schritt sollen sie aufgrund der positiven Aussagen herausfinden, wer sie sind und die Aussagen auf den Karten auf ihre Gruppe und ihre Stellung in der Gesellschaft beziehen.
  4. Abwechselnd liest ein Mitglied der Gruppe eine Aussage vor. Nachdem die Gruppe alle sechs Aussagen gehört hat, beantworten alle Mitglieder die Frage: „Wie fühlst du dich als Mitglied die-ser Gruppe?“ und halten die Antworten auf dem Flipchart unter der Überschrift „GEFÜHLE fest.
  5. Jede Gruppe erhält einen Satz Karten mit negativen Aussagen und einen zweiten Flipchartbogen mit der Überschrift „REAKTIONEN“. Die Gruppen wiederholen das Verfahren in Schritt 4.
  6. Die Lehrperson gibt den Gruppen folgende Leitfrage: Was würdet ihr tun, wenn ihr in einer solchen Situation wärt? Die Gruppen halten ihre Antworten auf dem Blatt „REAKTIONEN“ fest.
  7. Auswertung der Simulation im Plenum:
    • Jede Gruppe beschreibt die Gefühle, die sie dem Flipchart „GEFÜHLE“ festgehalten hat.
    • Anschließend vergleichen die Gruppen ihre Einträge auf dem zweiten Flipchart „REAKTIONEN“. Die Lehrperson regt die Klasse an, zwischen konstruktiven Handlungsweisen und der Anwendung von Gewalt zu differenzieren und Gemeinsamkeiten und Unterschiede in den Vorstellungen zwischen und innerhalb der Gruppen festzustellen.
  8. Die Lehrperson bittet die Lernenden um ein Feedback zur Arbeit in den Gruppen:
    • Gab es Probleme bei dieser Simulation? (Z.B. in eurer Zusammenarbeit, Dominanz einzelner Mitglieder)
    • Was habt ihr bei dieser Simulation gelernt – über euch, über eure Reaktionen und über die Gruppe?
    • Könnt ihr euch eine freundschaftliche Beziehung vorstellen zwischen der von euch dargestellten Minderheitengruppe und anderen Gruppen, die ihr möglicherweise kennt?
  9. Schließlich lüftet die Lehrperson den „Schleier des Unwissens“2: Die Lernenden nahmen die Roller der Minderheit, die früher als „fahrende Kesselflicker“ oder bis vor nicht so langer Zeit als „Zigeuner“ bezeichnet wurde. Heute nennt man sie bei ihrem Namen Roma.

Erweiterung (Sekundarstufe II)

Die Lernenden vergleichen ihre Vorstellungen mit dem „Internationalen Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung“ (CERD) vom 07.03.19663.

Die Lernenden überprüfen die Aussagen auf den Karten.

Die Lernenden untersuchen die Situation in ihrem Land: Gibt es Gruppen, die rassistischer Diskriminierung ausgesetzt sind? Ist ihre Situation vergleichbar mit der Darstellung der Roma in dieser Simulation? Welche Maßnahmen ergreift der Staat, und entsprechen diese Maßnahmen dem Internationalen Übereinkommen gegen Rassendiskriminierung?

Material

Kartenset mit positiven und negativen Aussagen

Unsere Häuser unterscheiden sich von denen anderer Menschen. Sie sind etwas Besonderes und wir lieben sie. Wir halten gerne an unseren Traditionen fest. Fernsehen und Presse sagen nicht die Wahrheit über uns. Sie sagen, wir seien ein Problem. Sie lassen uns nicht unsere eigene Sicht der Dinge darstellen.
Wir beherrschen zahlreiche praktische Kompetenzen. Wir erledigen alle möglichen Aufgaben für Handarbeit und Handwerk. Wir leisten mit unserer Arbeit einen wertvollen Beitrag zum Land in dem wir leben. Manche Menschen behandeln uns schlecht und verleumden uns. Manchmal werden wir grundlos angegriffen. Tausende von uns wurden vor nicht allzu langer Zeit ermordet.
Unser Volk hat in der Vergangenheit zahlreiche mutige Taten vollbracht. Wir erinnern uns gerne an unsere Geschichte. Wir haben kein fließendes Wasser; unser Müll wird nur selten abgeholt.
Wir sind sehr unabhängig. Wir kümmern uns selbst um uns. Wir sind niemandem etwas schuldig. Manche Ärzte wollen uns nicht behandeln, wenn wir krank sind. Es ist schwierig für uns, Sozialleistungen zu erhalten.
Wir kommen gerne zusammen, um uns Geschichten zu erzählen und zu singen. Darauf legen wir großen Wert, um gemeinsam unser Leben zu genießen. Die Menschen wollen uns nicht in ihrer Nähe haben. Manche Menschen wollen uns keine Arbeit geben, weil wir dieser Minderheit angehören.
Wir versuchen, in der Nähe von Familie und Freunden zu leben. Wir kümmern uns gut um die betagten Menschen in unserer Gemeinschaft. Wir lieben unsere Kinder über alles. Manchmal haben wir Probleme mit der Polizei und den Behörden der Gemeinde, weil wir uns an einem bestimmten Ort aufhalten.

 

2. John Rawls prägte diese Metapher in seiner Gerechtigkeitstheorie.
3. Die englischsprachige Fassung ist zugänglich unter https://ohchr.org/EN/ProfessionalInterest/Pages/CERD.aspx (Abruf am 03.04.2021). Zur deutschsprachigen Fassung ist erschienen in: Michael Lysander Fremuth (2019): Menschenrechte. Grundlagen und Dokumente, Berlin (Berliner Wissenschaftsverlag), S. 263.ff. Eine Lizenzausgabe ist verfügbar bei der Bundeszentrale für politische Bildung (Schriftenreihe, Bd. 10511): https://www.bpb.de/shop/buecher/schriftenreihe/301943/menschenrechte (Abruf am 03.04.2021).